Interview mit Julia Kuniß zur Russischen Filmwoche 2019 in Berlin

Kuniß: "Selbst russische Blockbuster und Fantasy-Thriller bleiben immer noch in der Arthouse-Nische"


Hochklassig inszeniert und oft aufwendig produziert, aber doch hat es das Kino Russlands in Deutschland schwer, in die reguläre Auswertung zu kommen. Woran liegt das?
Die Qualität der Filme verbessert sich stetig und die russischen Produktionen werden immer konkurrenzfähiger. Sie werden immer und immer besser ins Ausland verkauft, jedoch in Deutschland nicht unbedingt im Kino ausgewertet. Der größte Absatzmarkt für russische Filme ist Asien, vor allem China. In Deutschland findet man Filme aus Russland, selbst Blockbuster und Fantasy-Thriller, immer noch in der Arthouse-Nische. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zu einem ist es das Riesenangebot an Filmen im regulären Filmverleih hierzulande, das dazu führt, dass bei ausländischen Filmen, von den amerikanischen abgesehen, tatsächlich nur preisgekrönte eine Chance haben, wahrgenommen zu werden – und das sind ja meist Arthouse-Filme, die wiederum sehr begrenzt verliehen werden und nur in ausgewählten Programmkinos laufen. Zum anderen, dass es immer noch selten internationale Koproduktionen im Blockbuster-Bereich gibt, die mit international berühmten Stars aufwarten können. Die meisten russischen Filme werden immer noch mit lokalen Stars überwiegend für den russischen Markt produziert. Auch wenn sie aufwendig inszeniert sind, werden solche, meist Genre-Filme, in Deutschland auf DVD oder online ausgewertet oder nur für russischsprachiges Publikum als einmalige Vorführung, meist gleichzeitig mit dem Verleihstart in Russland in ausgewählten Kinos gezeigt. Ich denke, das wird sich ändern, denn Russland ist zunehmend mehr an Koproduktionen interessiert und plant, attraktive Bedingungen für ausländische Filmproduzenten zu schaffen. So etwas braucht Zeit, aber die Tendenz macht Hoffnung.

Der Markt ist in Bewegung

Das Sehverhalten der unterschiedlichen Publika ändert sich, Streaming ist das große Thema der letzten Jahre. Wie verändert das die Russische Produktion?
Ich sehe da keine großen Unterschiede zu den Entwicklung weltweit. Neue Auswertungskanäle erweitern die Möglichkeiten, es wird mit Interaktivität experimentiert, Serial Dramas sind sehr in Kommen. Videostreaming verändert den Film- und Fernsehkonsum, sorgt für Genrevielfalt, immer mehr Content wird gebraucht – davon profitiert die Branche. Streamingdienste vervollständigen ihre Filmbibliotheken mit Eigenproduktionen. Der Markt ist in Bewegung, es ist eine aufregende Zeit.

Worauf freust du dich besonders in diesem Jahr?
Ich freue mich, dass wir im Jubiläumsjahr ein besonders vielfältiges Programm zusammengestellt haben, das hoffentlich alle Wünsche erfüllt. Unser Ziel ist es stets, ein Querschnitt der Jahresproduktion zu zeigen und die aktuellen Tendenzen im russischen Kino hervorzuheben. Natürlich habe ich meine persönlichen Favoriten, neben bereits besprochenen Filmen möchte ich drei sehr unterschiedliche Filme an dieser Stelle hervorheben. Mit „Van Goghs“ meldet sich nach einer 20-jährigen Regie-Pause der ebenfalls als Produzent erfolgreiche Sergej Livnev, einer der spannendsten russischen Arthouse-Regisseure der 90er („Hammer und Sichel„, 1994) zurück. Das ist ein leiser, fein nuancierter und sehr persönlicher Film, ein Beziehungsdrama aber einer sehr besonderen Art. Der Regisseur wird seinen Film am 26. November in Berlin präsentieren.
Das russisch-serbische Kriegsdrama „The Balkan Line“ des Regisseurs Andrey Volgin war sehr erfolgreich im nationalen Verleih. Die als Action inszenierte Geschichte über eine Geheimoperation im Kosovo-Krieg ‘99 sorgte international für Diskussionen. In einer der Hauptrollen begeistert der deutsch-serbische DEFA-Star Gojko Mitić, der den Streifen auf der Russischen Filmwoche am 27. November vorstellen wird. In einem Gastauftritt ist auch Emir Kusturica zu sehen.
Bemerkenswert ist die geglückte Komödie von Elena Hazanova „Die Geliebten„, die es als erste russische Regisseurin schafft, sich als Frau außerhalb der Arthouse-Nische zu behaupten. Die Geschichte über drei Moskauerinnen, die untreue Ehemänner durch kreative Racheakte bestrafen, wurde zu einem der Kassenschlager des Jahres. Ich freue mich auf spannende Gäste, auf viele begeisterte und interessierte Zuschauer und anregende Filmgespräche.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

Die Russische Filmwoche findet von 25. November bis 1. Dezember in den Kinos Delphi Lux und Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin statt.

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