„Film hat immer etwas mit Wirklichkeit zu tun“ – Interview mit Sophie Charlotte Rieger zum FilmlöwinKINO


Teilnehmerinnen des „Girls* Riot“ Workshops präsentieren ein Kurzfilmprogramm, das sie 2019 für das KUKI (Internationales Kurzfilmfestival für Kinder und Jugendliche) zusammengestellt haben © Silke Mayer

Wie geht ihr als Projektteam mit der momentanen Situation – Stichwort Corona – um?
Es gibt natürlich wegen der Sicherheitsabstände einen eingeschränkten Ticketverkauf, gleichzeitig haben wir darauf geachtet, dass die meisten Filme genauso online zugänglich sind, auch um keine Personen auszugrenzen, die aufgrund ihres erhöhten Risikos während Corona nicht ins Kino gehen können. Diese neue Form von Ableismus, die sich durch Corona ausgebildet hat, finde ich ganz schrecklich. Wir wollen also möglichst vielen Menschen den Zugang zum FilmlöwinKINO ermöglichen und das passt auch sehr gut zum Gesamtansatz der FILMLÖWIN, der Diskriminierung entgegenwirken möchte. Von Vorteil ist natürlich auch, dass Leute außerhalb Berlins so auch Zugriff auf das Programm haben. Nicht online verfügbar ist leider das Kurzfilmprogramm „Generation Zukunft“, das der Girls’ Riot Workshop vom letzten KUKI präsentiert sowie wahrscheinlich KIDS RUN, weil der an dem Tag eben erst regulär im Kino anläuft.

Über die Veranstaltungsreihe hinaus: Wie siehst du die Repräsentation queerfeministischer Charaktere in der deutschsprachigen Kino- bzw. Streaminglandschaft?
Ich finde es immer wieder schockierend, wie viel Luft nach oben im Bezug auf deutschsprachige Inhalte vorhanden ist. Es gibt natürlich tolle queere Filme aus dem deutschsprachigen Raum, aber gerade auch im Bereich des Streamings und der Serien ist der Unterschied zu den USA oder zu vom BFI produzierten Filmen und Serien, was die Diversität des Casts anbelangt, eklatant. Bei den Netflix-Produktionen DARK oder FREAKS frage ich mich zum Beispiel echt, was wir in Deutschland in puncto Diversität nicht mitbekommen haben. Was läuft da schief in den Redaktionen – in die Produktion von deutschen Kinofilmen ist ja meist das Fernsehen verwickelt – dass der Sprung zu mehr Diversität nicht stattfindet?

Schreibt auch für die FILMLÖWIN: BFF-Autorin Bianca Jasmina Rauch © Bianca Jasmina Rauch

Also hat sich in der Hinsicht in den letzten zehn Jahren wenig bewegt?
Es tut sich zwar etwas, das passiert aber nur vereinzelt und zögerlich. Sehr engagiert ist zum Beispiel die Queer Media Society. Die arbeiten momentan an einer großen Umfrage zu „Vielfalt im Film“, von der ich mir viel verspreche. Auf die Umfrage muss dann aber natürlich auch reagiert werden. Es sollte dann also nicht nur über die Zahlen, die ja als Basis erst mal her müssen, geredet werden – es müssten dann auch aktive Schritte für eine Veränderung passieren.

Indem etwa auf Diversität ausgerichtete Leitlinien für die Filmproduktion entstehen?
Ja, wobei da die Gefahr besteht, dass diese dann als Korsett funktionieren. Wenn ich nur eine Quote erfülle, dann heißt das noch lange nicht, dass ich auch inhaltlich sensibel gearbeitet habe. Ich kann einen Cast mit einer guten Verteilung haben, was die Figuren in punkto Gender und migrantische Diversität angeht und trotzdem eine rassistische oder sexistische Geschichte erzählen. Zum Thema Quote haben wir ja auch eine Veranstaltung mit Gespräch, Workshop und dem Film MÄNNER ZEIGEN FILME, FRAUEN IHRE BRÜSTE.

Gibt es etwas, was du noch abschließend gern über die Veranstaltungen oder FILMLÖWIN sagen möchtest?
Unser großes Anliegen ist es, dass die Leute verstehen, dass Film etwas mit Wirklichkeit zu tun hat. Und dass ich nie wieder den Satz höre: „Das ist ja nur ein Film“. Es ist nie nur ein Film, weil Filme unsere Ansichten prägen, ob wir wollen oder nicht. Ebenso wichtig ist es auch, zu reflektieren, warum mir selbst ein Film Spaß macht und mich zu fragen, ob er anderen auch Spaß machen kann. Ich kann mich zum Beispiel leicht mit einem Film wohlfühlen, der aber für eine Person of Color überhaupt kein Wohlfühlfilm ist. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen diese Dinge mitdenken.

Die Fragen stellte Bianca Jasmina Rauch.

Die sechs kuratierten Abende von FilmlöwinKINO finden von September bis November 2020 statt. Die nächste Veranstaltung, „Generation Zukunft – FilmlöwinKINO präsentiert Girls* Riot“ könnt ihr am 26.9. um 19 Uhr im Wolf Kino erleben.

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