„Animals“ von Marçal Forés


Foto: Pro-Fun Media

Ein Teddy namens Deerhof. Foto: Pro-Fun Media

Der stumme, beste Freund

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Kinder sich imaginäre Spielgefährten schaffen. Ob der Fantasiefreund nun unsichtbar ist und nur in der Vorstellungswelt existiert oder ob es sich dabei um ein stummes Spielzeug handelt, das plötzlich zu sprechen beginnt, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist, dass dieser Freund immer da ist, immer zuhört und immer die passenden Antworten parat hat. Er soll Klarheit, Trost und Selbstreflexion schaffen, solange die Welt da draußen noch viel zu kompliziert und zu unberechenbar ist. Merkwürdig oder zumindest ungewöhnlich wird es dann, wenn man irgendwann das Teenageralter erreicht hat und der geliebte Freund aus der Kindheit einfach nicht verschwinden will.

Von so einer Situation erzählt Marçal Forés‘ „Animals„: Pol (Oriol Pla) ist 17 Jahre alt und verbringt seine Zeit am liebsten mit einem gelben, alten Plüschteddy, den Pol nach der gleichnamigen Indieband Deerhoof benannt hat. Deerhoof ist nicht nur ein guter Zuhörer, sondern weiß sich auch in distinguiertem britischen Englisch auszudrücken und spielt obendrein Schlagzeug. Wenn Pol und Deerhoof zusammen im Keller proben, vergisst der schüchterne Junge für einen Moment die Belastungen seines Alltags: Den überfürsorglichen Bruder, der ihm auf Schritt und Tritt folgt. Die beste Freundin, die heimlich in ihn verliebt ist. Und diesen geheimnisvollen neuen Schüler, zu dem Pol sich auf seltsame Weise hingezogen fühlt.

Zugegeben, es ist nicht einfach, diese Geschichte von einem Jungen und seiner parasozialen Beziehung zu einem Stofftier generisch einzuordnen. Spanische Indietunes gepaart mit Bildern von Pols Schulalltag legen mehrfach nahe, dass „Animals“ ein Sozialdrama ist, während agoraphobische Einstellungen von menschenleeren Seen und Wäldern einem immer wieder das Gegenteil beweisen wollen. Erinnerungen an „Donnie Darko“ werden wach, denn etwas sehr Unheilvolles liegt hier in der Luft. „Warum willst du mich töten?“, fragt der gelbe Stoffbär, als Pol ihn schließlich von einer Brücke in den Fluss wirft. Als kurz darauf eine Schulkameradin von Pol spurlos verschwindet, gewinnt der Eindruck eines Mystery-Thrillers schließlich die Oberhand.

Dabei verliert der Film aber nicht den selbstgesetzten Anspruch, klarzumachen, wie verstörend, isolierend und beängstigend jene ach so banalen Teenagerprobleme sein können. Pol irrt durch dieses verwaschene Genregeflecht als feingezeichnete bipolare Figur auf der Suche nach seinem erwachsenen Alter Ego, nach sexueller Orientierung und nach der Fähigkeit, Schmerz ertragen zu können. Was passieren kann, wenn diese Suche erfolglos bleibt, hat Gus Van Sants wirklichkeitszitierendes Meisterwerk „Elephant“ seinen Zuschauern bereits vor ein paar Jahren vor Augen geführt. Und ja, auch davon finden sich in „Animals“ einige Spuren.

Alina Impe