„Eva“ von Kike Maíllos


Was siehst du, wenn du die Augen schließt? Foto: Fantasy Filmfest

Was siehst du, wenn du die Augen schließt? Foto: Fantasy Filmfest

Retrofuturistisches Familiendrama

Der Mensch als vermeintliche Krone der Schöpfung war sich selbst wohl noch nie genug. Wie sonst ließe es sich erklären, dass das Bestreben, künstliches Leben zu erschaffen, weit in die Geschichte der modernen Zivilisation zurückgeht und seinen Widerhall in Kunst, Literatur und selbst in den Anfängen des Films findet? Nach E.T.A. Hoffmanns Visionen von der Maschinenfrau Olimpia in seinem Klassiker „Der Sandmann“ von 1816 und dem 1984er Filmauftritt vom T-800 als erster „Terminator“ sind wir schließlich mit Kike Maíllos Debütspielfilm „Eva“ – wenn auch nur in der Utopie – im Jahr 2041 angelangt. Hier treffen wir auf den hochbegabten Wissenschaftler Alex (Daniel Brühl), der in seinen eingeschneiten spanischen Heimatort zurückkehrt. Nachdem er vor zehn Jahren aufgrund der gescheiterten Liebe zu seiner Kollegin Lana eine kreative Schaffenspause eingelegt hatte, gilt es nun, ein bedeutsames Projekt endlich zu Ende zu führen: Die Erschaffung eines künstlichen, emotional intelligenten Kindes.

Wer jetzt an eine neuaufgelegte Version von „A.I.“ denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Dennoch weit entfernt von einem schlechten Abklatsch verschleiert der Film seine Referenzen zu Spielbergs Maschinen-Epos nicht, wenn Alex Bruder gleich zu Beginn als Namensvetter des Roboterkindes David und als neuer Mann an Lanas Seite in Erscheinung tritt. Unterstützung bekommt Alex außerdem von Max, der als hochtechnisierte Martha Stewart für dessen Wohlergehen sorgt  und wie ein gealterter Gigolo Joe daherkommt, charmanter Gestus und Geheimratsecken inklusive. Im Kontrast dazu serviert Regisseur Kike Maíllo allerdings einen ansonsten recht abgespeckten Futurismus, denn neben mechanischen Hauskatzen und benutzerfreundlichen Hologrammen sind hier rustikal-mediterrane Behausungen und Autos im 80er-Jahre-Design immer noch sehr gefragt. Nicht zu vergessen ein permanent in Grobstrick-Pullis und Fünf-Tage-Bart gehüllter Daniel Brühl, der optisch viel mit einem romantischen Bio-Bauern gemeinsam hat.

Pompöse CGI-Effekte wohldosierend, macht der Film jedoch Platz für eine tragische Familiengeschichte, die sauber und unaufgesetzt menschliche Gefühle und Technikmoral miteinander zu verweben weiß. Auf der Suche nach einer emotionalen Vorlage für sein Roboterkind trifft Alex auf die aufgeweckte Eva, die sich alsbald als das gemeinsame Kind von Lana und David herausstellt. Zerrissen zwischen seiner Loyalität zum eigenen Bruder, der wieder entfachten Leidenschaft für Lana und den neu entdeckten väterlichen Gefühlen für Eva führt der Film Alex Schritt für Schritt in ein emotionales Dilemma und den Zuschauer auf einen subtilen und eleganten Irrweg. Die Frage „Was siehst du, wenn du die Augen schließt?“ aktiviert in der Welt von „Eva“ einen Selbstzerstörungsmechanismus von Maschinen, die außer Kontrolle geraten sind. Für Alex lautet die Antwort: Du siehst nicht das, was die ganze Zeit da war.

Alina Impe

Eva„, Regie: Kike Maíllos, Darsteller: Daniel Brühl, Marta Etura, Alberto Ammann, Claudia Vega,  Anne Canovas, Lluís Homar, Sara Rosa Losilla