Fantasy Filmfest-Kritik: „The Awakening“ von Nick Murphy


Minderjährigen terrorisieren die Erwachsenenwelt, Foto: Wild Bunch Germany / Universum Film

Minderjährige terrorisieren die Erwachsenenwelt, Foto: Wild Bunch Germany / Universum Film

Obligatorisches Rumzucken

Es gibt Dinge, die sind und bleiben gruselig. Dinge wie alte, verlassene Häuser, Puppen mit Klapperaugen, Elektrogeräte, die sich unerklärlicherweise verselbstständigen und – erst auf den zweiten Blick evident – Kinder. Nein, nicht die Kinder, die hippe skandinavische Vornamen haben und von ihren antiautoritären Eltern durch den Prenzlberg gekarrt werden, obwohl die auch manchmal ziemlich gruselig sind. Die Rede ist von dämonischen oder untoten Kindern, die die Welt der Erwachsenen terrorisieren und unbarmherzig deren gereiften Glauben an das Rationale unterwandern. Nach Auftritten von verstörend abnormalen oder paranormalen Kindern in Filmen wie „The Ring„, „Das Waisenhaus“ oder „Fall 39“ schlägt nun mit „The Awakening“ (Nick Murphy) ein weiteres Mal der Minderjährigen-Terror zu. Und das gar nicht mal schlecht.

Die Hauptfigur Florence (Rebecca Hall) glaubt an all diesen Firlefanz nicht. Als Anti-Ghostbuster wird sie zu einem englischen Jungeninternat bestellt und soll dort mit Hilfe ihres klugen Verstandes und einer ganzen LKW-Ladung wissenschaftlicher Apparate dem Spuk ein Ende setzen. Schüler wie Erwachsene sind ohnehin schon genug von dem gerade überstandenen ersten Weltkrieg traumatisiert, da kann keiner so ein Geisterkind gebrauchen, das nachts durch die Flure huscht und sich heimlich auf den Jahrbuchfotos der Schule einschleicht.

Bei der Inszenierung der Schocksequenzen bleibt Regisseur Nick Murphy häufig klassisch und effektiv, aber zum gewünschten Unwohle des Zuschauers nicht immer konsequent. Huh, da kommt gruselige Musik, gleich passiert bestimmt was. Manchmal wird jedoch auf jedwede dramaturgische Ankündigung verzichtet, weshalb der passionierte Horrorgucker öfter als erwartet unkontrollierte Schreckzuckungen in seinem Sitz vollführt. Ansonsten bleibt die Kamera sehr nah an seiner weiblichen Protagonistin, enthüllt für Rebecca Hall-Fans sogar auch mal einen Nippel im Seitenprofil (aber nur einen!) und rückt der schönen Florence dermaßen auf den Pelz, dass man sogar die feinen Haarrisse auf ihrem sympathischen Gebiss zählen kann.

Die Standardromanze mit einem attraktiven und introvertierten Geschichtslehrer, eine liebevoll-strenge Hausdame mit grauem Windsor-Dutt und ein stoffeliger wie ominöser Sidekick-Hausmeister gehören selbstverständlich auch zum Repertoire. Nur irgendwie sind die nie da, wenn das Horrorbalg Florence mal wieder in den Wahnsinn treibt. Natürlich muss sie bald ihrer rationalen Weltanschauung den Laufpass geben und natürlich gibt es hier viele Twists und ein Ende, mit dem mal wieder keiner gerechnet hat. „The Awakening“ ist die klassische Geistergeschichte, wie sie ein M. Night Shyamalan erzählte, wenn er denn noch gute Filme machen würde. Nach 100 Minuten im Sitz vor sich hin zucken, sind selbst die obligatorisch riesigen und menschenleeren Kinosanitäranlagen mit ihren 50 Kabinen irgendwie befremdlich. Ach ja, eingangs vergessen: Öffentliche Toiletten sind auch manchmal gruselig.

Alina Impe

„The Awakening“ Regie: Nick Murphy, Darsteller: Rebecca Hall, Dominic West, Imelda Staunton, Lucy Cohu, John Shrapnel, Diana Kent, Richard Durden