„Feuchtgebiete“ von David Wnendt


Carla Juri spielt die Helen Memel, Foto: Majestic Filmverleih

Carla Juri spielt die Helen Memel, Fotos: Peter Hartwig / Majestic

Ein Blick über den Schlüpferrand

Die filmische Adaption zu Charlotte Roches Bestseller-Roman „Feuchtgebiete“ fängt – anders als in der Buchvorlage – nicht im Sinne der Chronologie der Ereignisse von hinten an, dafür aber auf bildmotivischer Ebene: anal. Helen Memel fährt mit ihrem Skateboard und kratzt sich am Arsch. Im Buch hat sie das nicht getan. Also Skateboard fahren, nicht am Arsch kratzen. Letzteres hat sie ja quasi ununterbrochen gemacht. Neben Tampons selber basteln, Pickel ausdrücken und mit Avocadokernen masturbieren.
Die Helen Memel im Film macht das meiste davon auch. Leider ist diese Helen Memel in Wirklichkeit die 28-jährige Schweizer Schauspielerin Carla Juri, die hier nun eine 18-jährige mimt. Daher wohl auch das Skateboard und der lockige Kurzhaarschnitt. Niedlichkeitsfaktor und so. Dabei spielt Juri sich die Seele aus dem Leib. Hämorridencreme auftragen, Popeln, sich die Kacke in der Krankenhausdusche abspülen – das alles macht sie bereitwillig mit. Aber Moment, worum ging’s da überhaupt nochmal?

Richtig, die 18-jährige Helen Memel sagt von sich selbst: „hygiene wird bei mir kleingeschrieben.“ Als traumatisiertes Scheidungskind ist sie die meiste Zeit des Tages damit beschäftigt, sich an ihren Körperausscheidungen zu erfreuen und das alles in Kleinklein minutiös zu analysieren. Helen lehnt jegliches Hygieneempfinden kategorisch ab, rasiert sich aber dennoch den Intimbereich. Auch irgendwie paradox, nicht? Weil sie sich dabei wegen ihrer Hämorriden eine Analfissur zuzieht, muss sie ins Krankenhaus. Dort will sie länger als notwendig bleiben, um ihre geschiedenen Eltern am Krankenbett wieder zu vereinen. Und weil der Pfleger Robin so süß ist. Während Roche im Buch auf halber Strecke die Puste ausgeht und die Autorin sich zusehends in langatmigen Beschreibungen des Krankenzimmers verrennt – hier und da wird nochmal eine Ekelanekdote eingestreut –, löst Regisseur David Wnendt das Problem dieser wirklich mageren Story auf vielfältige Weise: Im Film ist besagter Robin nämlich eigentlich an eine verklemmte Krankenschwester mit Schaufensterpuppen-Look vergeben, die leider nicht viel für Oralverkehr übrig hat. Da kann Helen mit ihren Geschichten über getrocknetes Sperma als Zwischendurch-Imbiss natürlich ordentlich punkten.

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