„Scherbenpark“ von Bettina Blümner


Trostlose Jugend im Schatten gesichtsloser Plattenbauten

Trostlose Jugend im Schatten gesichtsloser Plattenbauten. Foto: Neue Visionen

Große Klappe, weicher Kern

Nach dem gleichnamigen Erfolgsroman von Alina Bronsky zeichnet Regisseurin Bettina Blümner ein Coming of Age-Drama um ein junges Mädchen aus einer Hochhaussiedlung. Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer verkörpert die 17-jährige Sascha, die kämpferisch und mit großer Klappe um jeden Preis ihre harte Schale verteidigt. „Die Geschichte einer hirnlosen, rothaarigen Frau, die noch leben würde, wenn sie auf ihre kluge älteste Tochter gehört hätte“, so soll der Titel von Saschas erstem Buch lauten. Die 17-Jährige hat ihre Mutter, eine russische Spätaussiedlerin, früh verloren. Sie wurde in Anwesenheit ihrer drei Kinder brutal ermordet von ihrem Freund Vadim, Saschas Stiefvater. Sascha hat nur zwei Dinge im Kopf, zwei „Träume“, wie sie es nennt: ein Buch über ihre Mutter schreiben und Vadim töten, sobald er aus dem Knast kommt. Als sie eines Tages in der Zeitung einen Beitrag über Vadim liest, in dem er seine Reue beteuert, flippt Sascha aus. Sie stürmt in die Redaktion, wo sie auf den verantwortlichen Redakteur Volker (Ulrich Noethen) trifft. Ihr verbales Gewitter, das über ihn hereinbricht, scheint ihn nicht sehr zu wundern. Weiß er doch selbst, dass die Darstellung in der Zeitung völlig deplatziert war. Er bietet ihr an, sie jederzeit zu unterstützen, wenn sie Hilfe braucht. Das äußerlich so taffe Mädchen, dass in der tristen Hochhaussiedlung, dem Scherbenpark, gänzlich deplatziert wirkt, nimmt dieses Angebot schneller an, als sie selbst erwartet hätte. Kurzerhand zieht sie zu dem melancholischen Redakteur und seinem halbwüchsigen Sohn Felix (Max Hegewald) ins schicke Ökohaus, lässt ihre zwei kleinen Halbgeschwister bei Vadims Cousine Mascha im Scherbenpark zurück.

Zu beiden Männer baut sie eine spezielle Beziehung auf, eine Dreiecksgeschichte nimmt ihren Lauf. Durch die Begegnung mit Volker und Max und dem räumlichen Abstand zum Scherbenpark lernt Sascha sich Schritt für Schritt selbst kennen. Zuvor immer entschlossen in ihrem Handeln und hart in ihrem Urteil über andere, wird sie jetzt ein bisschen weicher, nachdenklicher und langsam erwachsen, obwohl sie zuvor schon dachte, sie sei es längst. Der Film bewegt sich an einigen Stellen am Rande des Klischees. Anna (Maria-Victoria Dragus), eine gleichaltrige Nachbarin von Sascha, hat nur ein Ziel: schwanger werden und Kindergeld bekommen. Sie ist das krasse Gegenteil von Sascha, aber diese platte Gegenüberstellung hätte es nicht gebraucht. Auch die Rolle des väterlichen Redakteurs, der dann doch etwas mit seiner jungen Mitbewohnerin anfängt, ist ein wenig schal und nicht Noethens bester Wurf. Zudem nimmt der extreme Fokus auf der Dreiecksbeziehung zwischen Sascha, Max und Volker dem Film ab und an den Schwung. Vollends überzeugend ist jedoch Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer. Ihre rotzige, abgeklärte und oft überhebliche Art, ihre großen Träume und impulsiven Handlungen wirken authentisch, ihre Zerrissenheit, der innere Kampf mit sich selbst und den äußeren Umständen ist permanent spürbar. Dass sie auf Augenhöhe junger Mädchen deren Geschichten erzählen kann, bewies Bettina Blümner bereits eindrucksvoll mit ihrer Dokumentation „Prinzessinnenbad“. „Scherbenpark“ hat nicht deren kraftvolle Wirkung, aber das Aufbrechen von Saschas harter Schale zu beobachten, hat durchaus seinen Reiz.

Verena Manhart

„Scherbenpark“ Regie: Bettina Blümner, Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Ulrich Noethen, Vladimir Burlakov, Max Hegewald, Maria-Victoria Dragus, Kinostart: 21. November 2013