„Cobain – Montage of Heck“ von Brett Morgen


Mit "Cobain: Montage of Heck" setzt Regisseur Brett Morgen Nirvana-Sänger Kurt Cobain ein filmisches Denkmal. © The End of Music, LLC

Mit „Cobain: Montage of Heck“ setzt Regisseur Brett Morgen Nirvana-Sänger Kurt Cobain ein filmisches Denkmal. © The End of Music, LLC

Alles Leben in der Musik

Musikertode sind nicht ohne Hysterie und Sentimentalität zu haben. Der frühe Suizid von Kurt Cobain 1994 macht da keine Ausnahme. Betroffen machen noch heute nicht die Umstände des Todes, die wie die logische Fortsetzung einer jahrelangen Drogenabhängigkeit wirken, sondern die Tatsache, dass da jemand stirbt, der mit seiner Musik und seinem Habitus so sehr einen Typus, eine Generation verkörperte. Jemand, der die desillusionierte 90er Generation personifizierte, die dem selbstvergessenen Glamour der 80er überdrüssig war. Jemand, dem man den gestreckten Mittelfinger immer zutraute, der – wie der leibhaftige Kurt Cobain in einer Filmszene – vor laufender Kamera den Kopf auf die Bühne legte und einschlief. Auch wenn der Grunge über die Jahre verloren ging: Die Sehnsucht nach seiner krachigen, kompromisslosen Lethargie und Resignation und nach eben diesen Identifikationsfiguren ist vielleicht auch deswegen 21 Jahre nach Kurt Cobains Tod ungebrochen.

Dieser Sehnsucht fühlt Brett Morgen mit seiner Dokumentation „Cobain – Montage of Heck“ nach und versucht so, dem Menschen Kurt Cobain mit seiner Dokumentation ein bisschen habhafter zu werden. Montage ist wohl das richtige Wort: Der Film ist eine anarchisch wirkende, wenn auch chronologisch geordnete, Kollage aus Super-8 Aufnahmen, die Kurt auf Kindergeburtstagen und beim Spielen zeigen, bei Konzert- und Interviewmitschnitten, Zeichnungen und Tagebucheinträgen Cobains, Animationssequenzen, Tonbandaufnahmen und aktuellen Interviews mit den Personen, die ihm laut Regisseur damals nahe standen und gut kannten: Seinen Eltern, seiner Schwester, seiner Exfreundin Tracy Marander, Krist Novoselic und natürlich Courtney Love. Darunter und daneben und darüber liegt der ewige Soundtrack, den Nirvana uns hinterlassen hat.

Geahntes wird so substantiell unterfüttert: Schon als kleines Kind und Heranwachsender lernte Kurt Cobain die Außenseiterrolle kennen, die er später so bewusst prägen sollte: Als Scheidungskind lebte er erst beim Vater, dann bei der Mutter, dann beim Onkel. Er galt als schwer erziehbar und konnte sich, so die Erinnerungen der Eltern, in die neuen Zusammenhänge schlecht einfügen. Dieses Gefühl des Ungeliebtseins spiegelte sich in seinem fehlenden sozialen Umfeld in der Schule wider: er kiffte viel, um der Realität zu entfliehen.

In der Musik entdeckte er einen Katalysator, der ihn schlussendlich mit den Leuten in Verbindung brachte, von denen er sich ernst genommen fühlte. Und dennoch: Ein roter Faden des Films ist sicherlich die von allen Seiten geäußerte Überzeugung, dass es nichts Schlimmeres für ihn gab, als sich nicht ernst genommen zu fühlen. „He didn’t like it when he felt he was being made fun of“, sagt Krist Novoselic beispielsweise – und er sagt es mit einer derart ernsten Miene, dass man kaum glauben mag, was ein Verriss oder ein Kommentar zum exzessiven Lebensstill mit Courtney für Kurt Cobain wohl dargestellt haben muss. Dazu kam ein Magenleiden, das ihn – vielleicht psychosomatisch – Zeit seines Lebens quälen sollte.

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