66. Berlinale: „Smrt u Sarajevu“ („Death in Sarajevo“) von Danis Tanovic – Silberner Bär


Hotelmanager Omer handelt mit Mafiaboss Enco einen Deal aus, von dem beide im Hotel profitieren. Copyright: © Margo Cinema & SCCA/pro.ba

Hotelmanager Omer handelt mit Mafiaboss Enco einen Deal aus, von dem beide im Hotel profitieren. Copyright: © Margo Cinema & SCCA/pro.ba

Im Herzen Europas

Zum 101. Jahrestag der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie enthüllte im Juni 2015 der serbische Politiker Tomislav Nikolić in Belgrad unter großem Jubel das Denkmal für einen Mörder, den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip. Eine Provokation. Ein Ehrenmal für den 19-Jährigen, dessen Tat als Ausgangspunkt für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gilt und der von vielen Serben noch immer als Nationalheld verehrt wird. Nur ein Jahr zuvor hatte Bernard-Henri Lévy, Philosoph und Aktivist für Menschenrechte, in Sarajevo mit seinem Stück „Hotel Europa“ an den sich zum 100. Mal jährenden Gedenktag des Anschlages, an scheinheilige, europäische Politiker und an die blutige Geschichte dieses geografischen Flecks im Herzen Europas erinnert. Aus der europäischen Politik ließ sich an diesem symbolischen Tag niemand blicken. Niemandem erschien es nötig, zu kommen, um ein Zeichen für den Frieden zu setzen.

Bernhard-Henri Lévy ist der Mann, der sich 1992 während des Kriegsausbruchs in Bosnien – als Slobodan Milošević für seine Vision eines Großserbiens die Stadt Sarajevo umstellen ließ und Europa den Gräueltaten viele Jahre tatenlos zusah – mit anderen Intellektuellen, Künstlern und Journalisten, darunter auch Susan Sontag, nach Sarajevo aufmachte, um dort auf die humanitäre Katastrophe inmitten Europas aufmerksam zu machen. Der Filmemacher Haris Prolic dokumentierte damals die Aktion und die Schrecken während des Krieges in seinem Dokumentarfilm „Death in Sarajevo“ (1994). Lévys Theaterstück und Prolics Filmtitel bilden den Referenzrahmen zu Danis Tanovics Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Death in Sarajevo“.

Im ‚Hotel Europa‘, einem in Sarajevo bekannten und historischen Ort, herrscht aufgeregtes Treiben. Zum 100. Jahrestag des Attentats von 1914 soll sich das Hotel nach einer zähen Durststrecke wieder füllen und das Haus zum Strahlen bringen. Vertreter des EU-Parlaments und Politiker der Europäischen Union werden zum Dinner erwartet. Die Vorbereitungen sind am Siedepunkt. Im 1. Stock probt ein bosnischer Kinderchor die von Beethoven entlehnte Europahymne mit den Textzeilen „Alle Menschen werden Brüder“, Lobby, Bar und Dinnersaal sind entsprechend beflaggt und in der Küche versammelt sich die Belegschaft, um ihren für den Abend großangelegten Streik zu besprechen. Ihr Ziel ist es, den Abend ins Chaos zu stürzen, um ihre eigenen Probleme – wie die seit Monaten nicht vorhandene Bezahlung und die sozialen Missstände im Land – ins Licht zu rücken. Der Hotelmanager Omer (Izudin Bajrovic), der seinerseits seit zwei Monaten aufs Gehalt verzichtet, versucht diesen Streik mit allen Mitteln zu verhindern, weswegen er sich gezwungen sieht, mit der Mafia zu kooperieren, die sich im Hotelkeller eingemietet hat und ihm verspricht, die Sache zu regeln. Der Kessel kocht, doch jeder tut so, als wäre alles in bester Ordnung.

In der Zwischenzeit hat Schauspieler Jacques (Jacques Weber) bereits im Hotel eingecheckt und versucht sich auf seine Theaterperformance am Abend im Stück ‚Hotel Europa‘ vorzubereiten. Während die ersten Sicherheitschecks im Hotel laufen, stimmt im Keller Strip-Club-Besitzer Enco (Aleksandar Seksan) seine „hübschen, gebildeten und netten, osteuropäischen Schönheiten“ auf die Gäste ein und schauen vom Dach aus die Pressevertreter mit Historikern und ambivalenten Zeitzeugen zurück in die Geschichte.

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