66. Berlinale: „Sufat Chol“ von Elite Zexer



Elite Zexer porträtiert in ihrem Spielfilmdebüt starke, stolze und unabhängige Frauen, die trotz alltäglicher Demütigungen und Abhängigkeiten ihren Männern auf Augenhöhe begegnen. „Sand Storm“ folgt in seiner Geschichte und Kamera eng dem Leben und der Sicht dieser Frauen und ihrem Versuch, sich mit den vorhandenen, traditionellen Strukturen zu arrangieren. Männer tauchen eher als Randfiguren auf, kommen kaum zu Wort und sind doch als die alles bestimmende Kraft deutlich spürbar. Denn sie entscheiden über das Glück ihrer Frauen und Töchter. Trotzdem stecken die Frauenfiguren in Zexers Film nicht in ihrer Unterwürfigkeit fest. Selbstbewusst gehen sie auf ihre Männer zu, erteilen ihnen Lektionen, warten nicht passiv ab, sondern legen sich, wenn es sein muss, auch mit ihnen an, selbst wenn sie dafür hohe Preise zahlen und riskieren, verbannt zu werden. Als herauskommt, dass Layla sich mit Anwar heimlich trifft, will ihr Vater schnell handeln und sie früher verheiraten als ursprünglich geplant. Allerdings ist Jalila mit der Auswahl des zukünftigen Ehemanns nicht einverstanden und fordert Suleimann heraus, der „zur Abwechslung endlich mal ein Mann sein“ und sich nicht unentwegt den gesellschaftlichen Zwängen beugen sollte, damit ihre gemeinsame Tochter an einen anständigen Mann verheiratet werden kann. Starke Worte, die vom Patriarchen nur abgestraft werden können. Zurück bleibt Layla, die nun allein für ihr Schicksal kämpfen muss. Aber auch sie ähnelt in ihrem Wesen ganz der Mutter und beugt sich nicht widerstandslos dem Willen des Vaters und hat selbst auch noch eine Lektion für ihn.

In ihrem Film gibt Zexer den vermeintlich Unterdrückten ihre Stimme zurück. Schon das Filmplakat, auf dem eine Frau einem Mann den Mund zuhält, verrät die wahren Kräfteverhältnisse im Film. Autark und selbstbestimmt widersetzen sie sich auferlegten Erwartungen, stehlen sich aus Fenstern, setzen sich wie selbstverständlich hinters Lenkrad, fahren, wohin es ihnen gerade passt und beginnen, sich ihre Männer ebenfalls selbst zu suchen. Und auch wenn sie sich fast immer wieder einfügen in die alte, aber leicht bröckelnde Ordnung, ist doch der Anfang gemacht, so scheint es. Die Idee vom selbstbestimmten Leben hat sich zumindest in den Köpfen der Filmfiguren schon eingenistet. Sie wissen, dass „niemand etwas muss“ und wiederholen diesen Satz fast mantraartig den gesamten Film hindurch. Zart und ergreifend erzählt die Regisseurin und Drehbuchautorin von starken Frauen und ihrem Bruch mit alten Traditionen – einem Prozess, der über Generationen andauert. Den vielversprechendsten Ausblick auf die nahende Zukunft gibt im Film die jüngste Tochter Tasmin. Schon früh widersetzt sie sich den Regeln und sagt klar und laut Nein zu den Dingen, die ihr nicht in den Kram passen und verkündet auch ungefragt jedem ihre Meinung. Sie ist das Versprechen Zexers auf eine neue Ordnung in der patriarchal strukturierten Welt.
SuT

„Sufat Chol“ („Sand Storm“), Regie: Elite Zexer, DarstellerInnen: Lamis Ammar, Ruba Blal, Hitham Omari, Khadija Al Akel, Jalal Masrwa

In Sundance gewann der Film in diesem Jahr bereits den Großen Preis der Jury im Wettbewerb „Weltkino Spielfilm“.

Termine bei der 66. Berlinale:
Fr 12.02. 17:45 CineStar 3
Mi 17.02. 20:00 CinemaxX 7
Do 18.02. 22:45 CineStar 3
Fr 19.02. 20:15 Cubix 7+8

1 2