67. Berlinale: „El bar“ von Álex de la Iglesia


El bar“ beginnt als schwarze Komödie mit einem präzisen Drehbuch und einem schnellen zynischen Schlagabtausch zwischen den Charakteren, die alle auf die eine oder andere Art unzufrieden oder aufgebracht über ihre aktuelle Lebenssituation zu sein scheinen. Schnell entwickelt sich daraus, eine immer mehr an Tempo zunehmende Fahrt in die menschlichen Seelenabgründe. Symbolisch dafür steht erst der Keller, in den eine Gruppe gezwungen wird, und schließlich die Kanalisation. Von der Erde geht es in die Hölle, aber vorher durch das Purgatorium. Im Keller erzählen die Personen von ihren Schwächen, ihren Träumen und Wünschen, während sie glauben, nur noch kurze Zeit zum Leben zu haben. Die Geschichte versetzt die Figuren in eine Extremsituation und beobachtet dabei ihre Entwicklung. Im Zustand der Angst um das eigene Leben treten Eigenschaften hervor, die im Unbewussten lagern und nicht unbedingt rühmlich sind. So kann der Kampf ums Überleben beispielsweise jede Rücksichtnahme verdrängen, selbst vor dem Töten nicht mehr abhalten, glaubt man, sich selbst damit retten zu können. Im Gegensatz dazu finden gerade Menschen, die sich das in einer normalen Situation nicht zutrauen würden, womöglich zu einem besonderen Mut. Helden werden zu Feiglingen, und Feiglinge zu Helden.

De la Iglesia nutzt die reale Situation seiner Figuren, die physisch in dieser Bar gefangen sind, auch als Sinnbild für das Gefangensein eines Jeden in sich selbst. Um leben zu können, schlüpfen wir in Rollen, zwingen unsere Gefühle in akzeptierte Verhaltensmuster. Die Abweichung davon, also beispielsweise wenn wir mit jemandem konfrontiert werden, der ungefiltert sagt, was er denkt und sich nicht verstellt, flößt Angst ein. Vor Israel haben alle im Film Angst. Er hält seine Meinung und seine Gefühle nicht zurück, er sagt die Wahrheit – oder zumindest seine Wahrheit -, und deswegen ist er verrückt. Darum geht es in erster Linie im Film. Er will weniger auf eine politische Situation hinaus, sondern auf eine emotionale, in der es keinen Ausweg gibt, da keine objektive Beurteilung möglich ist, solange sie nicht persönlich für den Einzelnen eintrifft.

El bar“ wirkt wie eine mittelalterliche Geschichte mit symbolischer Kraft, in der Macht, Folter und viel Dreck sich in einem Kampf ums Überleben mischen. Dem Film haftet etwas Märchenhaftes an, was durch die Ausleuchtung in satten und dunklen Farben zusätzlich verstärkt wird. Amparo, die von einer hervorragenden Schauspielerin verkörpert wird, ähnelt zudem einer bösen Hexe (die sie in De la Iglesias „Las brujas de Zugarramurdi“ tatsächlich verkörpert). Elena übernimmt die Rolle der Prinzessin und Nacho des Prinzen, mit Israel hat man den Hofnarren, mit Satur den verschmähten Freier und in Tini die ledige alte Tante. Abgesehen von jeder möglichen tiefgründigeren Interpretation, soll der Film in erster Linie unterhalten, was er auch erreicht.

Teresa Vena

El bar„, Regie: Álex de la Iglesia, Darsteller: Blanca Suárez, Mario Casas, Carmen Machi, Secun de la Rosa, Jaime Ordóñez, Terele Pávez, Joaquín Climent, Alejandro Awada

Termine bei der 67. Berlinale:
Donnerstag, 16. Februar, 18:30 Uhr, Friedrichstadt-Palast
Donnerstag, 16. Februar, 22:30 Uhr, International

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