„In den Gängen“ von Thomas Stuber


Franz Rogowski spielt in "In den Gängen" Christian, der zwischen den turmhohen Regalen ein neues Leben beginnt. © Sommerhaus Filmproduktion

Franz Rogowski spielt in „In den Gängen“ Christian, der zwischen den turmhohen Regalen ein neues Leben beginnt. © Sommerhaus Filmproduktion

Was genau der Andere außerhalb der Arbeitszeit so macht, weiß keiner so genau. Darüber wird nur wenig gesprochen. Der Umgangston ist rau, aber herzlich. Wenn man sich etwas erzählt, dann über die Freude auf ein paar Feierabendbiere oder ein Schnäpschen, trinken tun sie jedenfalls alle ganz gerne. Vielleicht bringt mal jemand eine Partnerin oder einen Ehegatten zur Betriebsfeier mit. Wie gering die Kenntnis über das Leben der Anderen ist, verdeutlicht eine dramatische Wendung gegen Schluss. Auch aus Christians Vergangenheit erfahren wir nur rudimentäre Informationen. Die großflächigen Tribal-Tattoos an den Armen und die Dobermänner auf dem Rücken deuten darauf hin. Doch die soll er möglichst bedeckt halten. „Die Kunden mögen sowas nicht.“ Nur ganz selten folgt ihm die Kamera auf der alltäglichen Busfahrt nach Hause, in eine heruntergekommene und spärlich möblierte 1-Zimmer-Wohnung in der Platte.

Stuber entfaltete diesen Mikrokosmos mit lakonisch-trockenem Humor. In winzigen Facetten offenbart er ein immenses filmisches Feingefühl für den Spielort und die Figuren. Eine CD-Box mit den „Superhits der 80er“ in einer Schublade, ein kitschiges Palmenbild im Sonnenuntergang neben dem Kaffeeautomaten im Pausenraum, ein Spiegel mit der Aufschrift „So sieht dich der Kunde“ in der Umkleide. Dieser an sich identitätslose funktionale Raum scheint anhand dieser Gebrauchsspuren eine eigene Geschichte zu entwickeln.
Die Figuren werden nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern mit ernsthaftem Respekt behandelt. Die Komik entsteht aus den greifbaren Situationen, in welche sie hineingedrängt werden. Auf sensible Weise werden die verhaltenen Annäherungsversuche zwischen Marion und Christian veranschaulicht, zum Beispiel als er ihr in der „Sibirien“ genannten Tiefkühlkammer zärtlich zeigt, „wie Eskimos sich begrüßen“. Sandra Hüller und Franz Rogowski sind eine ideale Besetzung für diese verzwickte Liebesgeschichte, letzterer ist darin nach Christian Petzolds „Transit“ in einer weiteren großen Rolle bei den 68. Filmfestspielen von Berlin, zu sehen.
In den Gängen“ wirft einen tristen, aber warmherzigen Blick auf die Leben der Großmarkts-Belegschaft und geht mit diesen achtsam und amüsant um. Dass diese Tristesse nicht beschönigt wird, trifft genau den Nerv von Clemens Meyers Erzählungen.

Henning Koch

In den Gängen„, Regie: Thomas Stuber, DarstellerInnen: Franz Rogowski, Sandra Hüller, Peter Kurth, Andreas Leupold, Michael Specht, Ramona Kunze-Libnow, Kinostart: 26. April 2018

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