„Yardie“ von Idris Elba



Die Handlung basiert auf Victor Headley’s gleichnamigem Roman „Yardie„, der 1992 außerhalb des regulären Buchhandels in einer breit angelegten DIY-Kampagne vertrieben wurde. Die Vorlage wurde über Kleidungsgeschäfte und außerhalb von Nachtclubs verkauft und entwickelte sich mit 30 000 Kopien zu einem beachtlichen Erfolg. Laut dem Herausgeber Steve Pope war sie „der erste populistische schwarze Titel, der sich direkt an ein schwarzes Publikum wandte.“ In seinem Regiedebüt inszeniert der britische Schauspieler Idris Elba („The Wire„) die Konflikte im Stile eines urbanen Kriminalfilms. Dieser folgt dabei strikt den Spielregeln und Konventionen des Genres und wagt keine Experimente. In farbenfroh ausgeleuchteten und perfekt durchkomponierten Einstellungen, untermalt von einem eingängigen Reggae-Soundtrack werden sowohl die jamaikanischen Slums, als auch die tristen englischen Council Estates als Spielorte in Szene gesetzt.

Die jamaikanische Soundsystem-Kultur und ihr britischer Gegenpart nimmt nach der furiosen Anfangszene in einem jamaikanischen Dorf nur eine untergeordnete Rolle ein. Vielmehr steht die direkte Bedrohung von „D“ und seiner Familie im Mittelpunkt, nachdem er den Drogendeal in die eigene Hand nehmen will. Herausstechend sind dabei die schauspielerischen Leistungen der Bösewichte, allen voran der Berufs-Antagonist Stephen Graham („This Is England„) als egozentrischer Clubbetreiber und Drogenbaron, sowie sein markanter Handlanger Raggz (Mark Rhino Smith). Jedoch verrennen sich die Actionszenen in den Klischees der „urbanen“ Stangenware mit Autos und Schusswaffen in den Londoner Sozialwohnungskomplexen. Schießereien und Prügeleien scheinen dabei nur verhältnismäßig wenig Eindruck auf die Figuren zu hinterlassen, echte Konsequenzen bekommen diese nicht zu spüren. Es fehlt die emotionale Relevanz des Waffenbesitzes und der Gewalttaten innerhalb eines sozialen Umfelds, wie es etwa Saul Dibb diese in seinem Drama „Bullet Boy“ (2004) herausgestellt hat.

Genau in diesen Eigenschaften offenbart sich die größte Schwäche von „Yardie„. Es gelingt dem Film in keiner Weise, ein Gefühl für die 1980er Jahre in London zu entwickeln. Im Vergleich zu Franco Rossos herausragendem Drama „Babylon„(1980) über die Londoner Soundsystem-Kultur werden Spielorte, Subkulturen und vor allem die soziale Probleme der damaligen Zeit nur unzureichend wiedergegeben. Die Reggae-Musik und Outfits sind austauschbar. Mit einem anderen Soundtrack und modernen Autos könnte der Film genauso gut in der Grime-Szene a la „Top Boy“ verankert sein. „Yardie“ scheint es jedenfalls eindeutig auf diese Zielgruppe abgesehen zu haben.

Letztendlich bleibt damit ein solider, aber wenig bemerkenswerter Krimi. Ärgerlich ist dies vor allem, da das British Film Institute anlässlich einer Studie zur „Black Star“-Season bemängelte, dass ein Großteil der Rollen schwarzer Schauspieler in Großbritannien ihre Nische in klischeebeladenen „urbanen“ Filmen zwischen Drogendeals und Waffengewalt finden (Sight & Sound 11/2016). Der Schauspieler Idris Elba hätte diesen begrenzten Horizont in seiner ersten Regiearbeit erweitern können. Eine Möglichkeit dazu hätte die Romanvorlage geboten.

Henning Koch

Yardie„, Regie: Idris Elba, DarstellerInnen: Aml Ameen, Shantol Jackson, Stephen Graham, Fraser James, Mark Rhino Smith, Everaldo Creary, Kinostart: 24. Mai 2018

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