„Bis dann, mein Sohn“ (OT: „Di jiu tian chang“; engl. Titel: „So long, my son“) von Wang Xiaoshuai



Die politische Dimension des Films ist zwar ständig präsent, doch erschließt sich dem Zuschauer ihre Bedeutung nur zum Schluss hin und mit etwas Abstand – wenn überhaupt. Die Figuren erleben ihre Zeit als junge Erwachsene in der chinesischen Kulturrevolution, in die große Hoffnung auf ein neues egalitäreres, soziales System, das den Prinzipien des Kommunismus folgt, gelegt wurde. Doch entstand eine auf ihre Art totalitäre Struktur, die ihre Gegner definierte und bekämpfte. Eine Orientierung an den westlichen Lebensstil war daher verpönt. Für das Hören von Rock n‘ Roll-Musik, das Tragen von Schlaghosen und langen Haaren konnte es zu Inhaftierungen mit Umschulungen kommen – wenn es gut ging.

Eine der Figuren des Films macht diese Erfahrung, das Ehepaar im Vordergrund wird seinerseits Opfer der Ein-Kind-Politik, die 1980 im Land zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums eingeführt wurde. Ehepaare, die mehr als ein Kind hatten wurden mit großen Geldbußen und verschiedenen sozialen und politischen Benachteiligungen bestraft. Auch wenn offiziell die Ein-Kind-Politik auf Freiwilligkeit basieren sollte, kam es zu unzähligen Zwangsabtreibungen. Der geschichtliche Rahmen übt auf alle Figuren ihren Druck aus. Als einer der Schlüsselsätze des Films könnte in diesem Zusammenhang der propagandistische Slogan gelten „Jeder Mensch ist Meister über sein eigenes Schicksals“. Welcher Voraussetzung braucht es dafür?

Der Regisseur entscheidet sich für eine diskontinuierliche Erzählform. Konstant wechselt die Perspektive von der Gegenwart in die Vergangenheit, in eine Zeit dazwischen und von dort wieder zurück. Dies macht es für den Zuschauer anfänglich anspruchsvoll der Entwicklung zu folgen, doch auch spannend, obwohl keineswegs auf typische Mittel zurückgegriffen wird, die formal Spannung erzeugen. Tatsächlich greift der Film auf lange Einstellungen und einen ruhigen Inszenierungsstil zurück. Die Kamera wird meistens statisch verwendet, sie fängt sowohl die beengten Innenräume, wie auch die Stadtszenen und weiten Landschaften auf unverschnörkelte, sensible Weise ein. Visuell ergibt der Filme ein einheitliches und ansprechendes Bild mit warmen, satten Farben.

Regisseur Wang Xiaoshuai schafft es eine allgemeingültige Geschichte zu erzählen, die berührt und lange nachhallen wird. Der Film lebt von einem herausragenden Schauspielerensembles, allen voran den beiden Hauptdarstellern Yong Mei als Liyun und Wang Jingchun als Yaojun. Gerade letzterer zeichnet sich durch ein differenziertes und authentisch wirkendes Spiel als verzweifelter und liebender Familienvater und Freund aus.

Teresa Vena

Bis dann, mein Sohn“ („Di jiu tian chang„; engl. Titel: „So long, my son„), Regie: Wang Xiaoshuai, Darsteller: Yong Mei, Wang Jingchun, Qi Xi, Wang Yuan, Du Jiang, Ai Liya, Xu Cheng, Li Jingjing, Zhao Yanguozhang, Kinostart: 14. November 2019

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