69. Berlinale: „Eine Kolonie“ von Geneviève Dulude-De Celles



Jacinthe fragt Mylia einmal, ob Indianer immer noch jagen, und will ins Reservat gehen, um dort hübsche Mokassins zu kaufen. Immer wieder spielt die Regisseurin mit Vorurteilen gegenüber den „First Nations“ und bricht sie. So hat Jimmy das Hundeflüstern nicht von seinen Vorfahren gelernt, sondern aus dem Fernsehen.
Um die Unterschiede zwischen Mylia und Jimmy und ihren MitschülerInnen zu verstärken, arbeitet die Regisseurin Geneviève Dulude-De Celles auch mit gegensätzlichen Räumen. Draußen in der Natur finden Mylia und Jimmy zu sich selbst und zueinander. Die Natur wird zu ihrem Rückzugsort, etwa, wenn sie im Wald tiefgründige Gespräche führen oder sich gemeinsam um Tiere kümmern. Dagegen wird eine Party mit den Klassenkameraden als Bedrohung inszeniert und auch in der Schule fühlen sich beide eher unwohl. Hinzu kommen Unstimmigkeiten in Mylias Familie, die nur angedeutet und erst am Ende des Films konkreter benannt werden.

Als Metapher für das Anderssein fungiert ein Zitat eines berühmten Fotografen, von dem Jimmy Mylia erzählt. Der Fotograf habe in einem Interview gesagt, er habe schon als Kind in Malbüchern über die Linien gemalt, denn erst da werde es interessant. Von diesem Moment an sprechen Jimmy und Mylia einige Male darüber, über Linien zu malen – ein Sinnbild für das Nonkonforme und das Individuelle.

Mit „Eine Kolonie“ ist Geneviève Dulude-De Celles ein feinfühliger und berührender Coming-of-Age-Film mit überzeugenden, ungekünstelt spielenden jungen DarstellerInnen gelungen. Die Regisseurin und Drehbuchautorin aus Montréal nahm 2016 an Berlinale Talents teil und wuchs selbst am Rande des Abenaki-Reservats Odanak auf, das im Film vorkommt. Ihr Kurzfilm „The Cut“ feierte 2014 seine Premiere beim Sundance Film Festival und erhielt dort den Preis für den besten internationalen Kurzfilm. Auch für „Eine Kolonie“ gewann sie bereits mehrere Preise in Kanada – zu Recht. Dulude-De Celles zeigt den jugendlichen ZuschauerInnen glaubhaft, dass es in Ordnung ist, anders zu sein – und sogar Spaß macht.

Stefanie Borowsky

Eine Kolonie“ (OT: „Une colonie„), Regie: Geneviève Dulude-De Celles; DarstellerInnen: Émilie Bierre, Irlande Côté, Jacob Whiteduck-Lavoie, Cassandra Gosselin-Pelletier, Noémie Godin-Vigneau, Robin Aubert.

Termine bei der 69. Berlinale:
Sonntag, 10.2., 9:30 Uhr, Haus der Kulturen der Welt
Montag, 11.2., 15:30 Uhr, Filmtheater am Friedrichshain
Dienstag, 12.2., 13:15 Uhr, CinemaxX 3
Mittwoch, 13.2., 14:30 Uhr, Cubix 7

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