„Gelobt sei Gott“ von François Ozon



Zu jeder der drei Hauptfiguren Alexandre, François und Emmanuel liefert Ozon auch kurze Rückblicke in die Kindheit und zeigt die drei als Pfadfinder im Zeltlager oder nachmittags allein mit dem Priester im Fotolabor. Dabei sieht man nur, in welchen Situationen sich Preynat den Jungen näherte, mehr nicht. Es sei ihm wichtig gewesen, die Umstände, in denen der Missbrauch stattfinden konnte, für die ZuschauerInnen begreifbar zu machen, sagte Ozon in der Berlinale-Pressekonferenz.

Ozon macht die lebenslangen Verletzungen der Opfer deutlich und setzt mit seinem Film kurz vor der Entscheidung im Fall Barbarin et al. zugleich ein starkes Zeichen. Er mache sich wenig Sorgen um die Verbreitung seines Filmes in Frankreich, da alle im Film verwendeten Informationen bereits durch die Presse gegangen seien, so Ozon weiter. Trotzdem habe er sich dazu entschieden, die Szenen in der Kirche nicht in Frankreich, sondern in Belgien und in Luxemburg zu drehen.

Trotz guter Absichten gehört der Beitrag des Regisseurs und Drehbuchautors François Ozon zu den schwächeren Filmen des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs. Alle Figuren bleiben oberflächlich und klischeehaft gezeichnet. Die Dialoge kommen holzschnittartig daher. Gelegentliche Versuche, witzig zu sein, wirken deplatziert und laufen ins Leere. Die am Reißbrett entworfenen Gespräche zwischen Alexandre und seinen beiden älteren Söhnen, deren Firmung bevorsteht, klingen in etwa so: „Vater, wofür kämpfst du?“ – „Dafür, dass es nie wieder passiert. Für euch. Damit ihr keine Angst haben müsst.“

Ozon („Frantz„, „8 Frauen„) verpasst in „Gelobt sei Gott“ die Chance, glaubwürdige und tiefgründige Filmfiguren zu erschaffen, obwohl oder vielleicht weil er sich die Freiheit genommen hat, sich ein Stück weit von den realen Personen zu lösen. So ist den FilmzuschauerInnen ein wirkliches Mitfühlen mit den Protagonisten, ein Einlassen auf ihr Schicksal trotz der erschütternden Thematik kaum möglich.

Doch trotz seiner Schwächen im Drehbuch und in der Figurenzeichnung ist „Gelobt sei Gott“ ein wichtiger und mutiger Film, mit dem Ozon die Aufmerksamkeit auf das lebenslange Leiden der zahlreichen Opfer im Fall Preynat lenkt. Ein Film, der das Wegsehen der MitwisserInnen in kirchlichen Institutionen und zum Teil auch in den Familien der Opfer anklagt und dem deshalb ein großes Publikum zu wünschen ist.

Stefanie Borowsky

Gelobt sei Gott“ (OT: „Grâce à Dieu„), Regie: François Ozon; DarstellerInnen: Melvil Poupaud, Denis Ménochet, Swann Arlaud, Éric Caravaca, François Marthouret, Bernard Verley, Martine Erhel, Josiane Balasko, Hélène Vincent; Kinostart: 26. September 2019

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