„Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ von Teona Strugar Mitevska


„God Exists, Her Name Is Petrunya“ von Teona Strugar Mitevska überzeugte im Wettbewerb der 2019er Berlinale mit scharfer Kritik am rückständigen Patriarchat. © sistersandbrothermitevski

In der Ruhe liegt die Kraft

Mazedonien 2018. Es fühlt sich an „wie im Mittelalter“, erklärt eine Journalistin (Labina Mitevska) in die Kamera. Sie berichtet von einem Vorfall in Stip, einem ländlichen Ort, dem patriarchale Werte und Traditionen Struktur geben. Frauen sind hier reduzierte Persönlichkeiten, entweder unsichtbar oder verrückt, je nachdem ob sie gehorsam folgen oder zu viel Aufmerksamkeit fordern. Von ihnen wird erwartet, „nett, höflich und schön“ zu sein, wie ein glatzköpfiger, bulliger Polizist betont. Im gleichen Atemzug erklärt er, dass er seiner Tochter „alle Knochen brechen würde“, wenn sie es wagen würde, gegen diese Regeln zu verstoßen.

Es ist ein brutales Volk, das Regisseurin und Drehbuchautorin Teona Strugar Mitevska („When the Day Had No Name“) hier unter die Lupe nimmt. Früh haben die Mütter in dieser Gegend ihren Töchtern schon die Flügel gestutzt, damit sie nur nicht zu träumen wagen und schon gar nicht ihre angepassten Mütter infrage stellen. Sie beschimpfen und erniedrigen sie genauso, wie es die Männer mit eigensinnigen Frauen hier tun.

Die Männer in Stip gleichen bis auf wenige Ausnahmen meist lauten und wütenden Kampfhunden. Sie kläffen und fletschen die Zähne, sobald ihre Ordnung gestört wird. Kahl rasiert, tätowiert und mit überdimensionierten Kreuzen um ihren Hals, die schwer gegen ihre gestählte Brust schlagen, glauben sie daran, mit jedem Schritt den Boden unter ihnen zum Beben zu bringen. Eine jahrhundertealte religiöse Praxis hat dieses Patriarchat genährt und Dominanz gelehrt.

In dieser für Frauen eher unwirtlichen Region lebt Petrunija, phänomenal trotzig gespielt von der Komikerin Zorica Nusheva. Die 32-Jährige hat ein dickes Fell und jede Menge Nehmerqualitäten. Nichts kann die arbeitslose Historikerin, die noch immer bei ihren Eltern wohnt, so leicht aus der Ruhe bringen. Schon eine Weile versucht sie eine passende Anstellung zu finden. Vergeblich. Als sie zum wiederholten Mal von einem erfolglosen Vorstellungsgespräch gedemütigt zurückkehrt, scheint ihr allerdings das Glück unerwartet vor die Füße zu fallen. Ein Glücksjahr und Wohlstand verheißt die Tradition nämlich demjenigen, der am Dreikönigstag ein Holzkreuz aus den eiskalten Fluten fischt. Als die Prozession an Petrunija vorüberzieht, zögert sie nicht lange und springt. Blöd nur, dass die Teilnahme ausschließlich Männern vorbehalten zu sein scheint und nun ein ganzes Dorf über Recht und Unrecht geifert. Stoisch bietet sie ihren Widersachern die Stirn. Nicht Wölfe im Schafspelz bedrohen das Fundament dieser Gesellschaft, sondern Schafe im Wolfspelz.

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