„Ich war zuhause, aber“ von Angela Schanelec


Maren Eggert (links, hier mit Dane Komljen) spielt in Angela Schanelec „Ich war zuhause, aber“ Astrid. Das Duo arbeitete bereits zum vierten Mal zusammen. © Nachmittagfilm

Die unergründliche Poesie des Alltags

Am Anfang ist da ein Hund. Er rennt einen Abhang hinab, jagt einen Hasen. Dann ist da der Hase, der fast lässig an einem Stein lehnt – nochmal gut gegangen. In der nächsten Einstellung knabbert der Hund an einem Hasenkadaver. Ein Esel schaut ihm dabei zu.

Was hat diese Szene mit der Mittvierzigerin Astrid (Maren Eggert) aus Berlin zu tun, die erschöpft und vom Alltag aufgerieben scheint? In den folgenden anderthalb Stunden interessiert sich die Kamera jedenfalls weder für Hunde noch für Hasen oder Esel, sondern für eben diese Astrid, die alleinerziehende, überforderte Mutter zweier Kinder.

An diesem zweiten Filmanfang ist der Sohn verschwunden. Phillip (Jakob Lassalle) heißt er und taucht dann doch wieder auf, nach einer Woche, ohne Erklärung. Phillip, der Dreizehnjährige, sieht aus, als sei er in der Natur gewesen, im Wald vielleicht. Astrid rennt keuchend die Stufen eines Treppenhauses hinauf, bis sie ihn wiederhat, ihren Sohn, und ihre Arme um seine Beine schlingt. Gesprochen wird nicht. Sowieso reden die Figuren wenig in Angela Schanelecs „Ich war zuhause, aber„.

Oft poetische, manchmal auch komische Momentaufnahmen aus Astrids Alltagsleben reihen sich nun aneinander. Astrid kauft ein Fahrrad und wird dabei übers Ohr gehauen von einem Mann, der sich nur mit computerunterstützter Stimme äußern kann. Astrid, die an einer Kunsthochschule unterrichtet, trifft einen Kollegen im Supermarkt, der kürzlich einen Film über eine Tänzerin und einen Sterbenskranken gedreht hat. Astrid doziert über das Wahre – den Tod – und das Falsche – die Tänzerin, das Spiel, die Kunst. Astrid redet so lange, bis der Filmemacher nichts mehr zu sagen weiß, außer: „Es ist also deine eigene Wahrheit.“ Astrid hat das selbst erlebt – Trauer und Verlust. Ihr Mann, ein Theaterregisseur, sei vor zwei Jahren gestorben, erzählt sie dem Kollegen. Angela Schanelecs Mann, der Theaterregisseur Jürgen Gosch, mit dem sie zwei Kinder hat, verstarb 2009.

Einmal geht Astrid nachts auf den Friedhof, legt sich auf das Grab ihres Mannes, ihre Arme in Richtung Grabstein ausgestreckt. Eine Wachtel kommt dazu, doch Astrid merkt es nicht, sie scheint eingeschlafen zu sein.
In der Schule spielen Phillip und seine MitschülerInnen Szenen aus „Hamlet“ – in der Übersetzung von Angela Schanelec und ihrem verstorbenen Mann. Die Kinder tragen Kronen aus Pappe und scheinen viel zu jung für die Texte, die sie da sprechen.

Das alles passiert einfach, es existiert nebeneinander und die Kamera fängt sie ein, diese Absurdität des täglichen Lebens.
Und dann gibt es Momente, in denen Astrid sich aufbäumt gegen die Überforderung, die der Alltag für sie darstellt. Im Lehrerzimmer der Schule ihres Sohnes hält sie den Lehrern (u.a. Devid Striesow und Franz Rogowski) einen eigenwilligen Vortrag darüber, dass jedes Urteil über ihren Sohn nur falsch sein könne. Astrid wehrt sich.

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