„Paranza – Der Clan der Kinder“ (OT: „La paranza dei bambini“) von Claudio Giovannesi


Claudio Giovannesis „Piranhas“ (OT: „La paranza dei bambini“) bringt eine Mafia-Geschichte aus Neapel mit nach Berlin. © Palomar 2018

Kids with Guns

Erwachsenwerden ist stets mit der Suche nach Vorbildern und Perspektiven verbunden. Für die Gruppe von 15-jährigen Jungen in „Piranhas“ existieren diese jedoch nicht im familiären Umfeld. Sie wachsen in ärmlichen Verhältnissen in Neapel auf, es gibt keine weiterführende Bildung und keine Jobaussichten. In den Läden und auf dem Marktplatz lässt sich nicht viel verdienen, denn die Mafia kontrolliert das Geschäft und kassiert Schutzgeld. Doch sie haben eine unbändige Ernergie und sind von jugendlichem Leichtsinn getrieben.

Claudio Giovannesis Drama wählt keine soziologische Perspektive, sondern begegnet den Heranwachsenden direkt auf Augenhöhe. In der Eröffnungsszene treiben Nicola (Francesco Di Napoli) und seine Freunde sich in einem Einkaufszentrum nach Ladenschluss herum. Die Schaufenster sind verriegelt und gefüllt mit großen Versprechen einer bunten Konsumwelt, die für sie unerreichbar ist. Doch sie haben es auf den meterhohen Weihnachtsbaum in der Mitte der gigantischen Halle abgesehen. Eine feindliche Jugendgang will ihnen das riesige Statussymbol streitig machen, es gelingt ihnen, diese zu überwältigen und zu verjagen. Dann ziehen die Halbstarken das Prachtstück mit Motorrollern aus der illusorischen Shoppingwelt, um es auf einem Hinterhof feierlich zu verbrennen. Die Szene offenbart die kleinen Kriege, die sie führen. Nicht, um damit große Ziele zu verfolgen, sondern um ihr Territorium abzustecken, die Gruppengemeinschaft zusammenzuschweißen und der alltäglichen Langeweile und Perspektivlosigkeit zu entfliehen.

Sie leben in den Tag hinein und Gaunereien sind der einzige Weg, um an Geld zu gelangen. So kommt es, dass sie den Plan schmieden, mit echt aussehenden Spielzeugpistolen einen Schmuckhändler zu überfallen. Das funktioniert überraschend einfach. Doch nur wenig später identifiziert der Goldschmied die Bande mithilfe der lokalen Mafia und fordert die Beute zurück. Sie kommen noch einmal glimpflich davon, denn der Patron erkennt ihr Potential für sein Geschäft und bietet ihnen an, dass sie in kleinem Stile Marihuana auf der Straße verkaufen können. Verbissen, ehrgeizig und ohne Rücksicht auf Verluste gelingt ihnen der Einstieg in die Welt der organisierten Kriminalität. Die Bosse sind zufrieden. Der Erfolg wird auch über den finanziellen Gewinn hinaus spürbar: Nicola erreicht, dass seine Mutter für ihr Geschäft kein Schutzgeld mehr zahlen muss. Er kann der gleichaltrigen Letizia (Viviana Aprea) mit seinem wachsenden Einfluss imponieren. Koks und wilde Parties befeuern den Adrenalinrausch der Clique. Doch als sie sich erste Schusswaffen besorgen, um in die großen Geschäfte der Mafiabosse einzusteigen, wird aus dem draufgängerischen Abenteuer schnell ein Spiel auf Leben und Tod.

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