„Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani


Albrecht Schuch überzeugte in „Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani im Berlinale Wettbewerb. © Wolfgang Ennenbach/2019 Sommerhaus/eOne Germany

Berliner Unterwelt im Neonlicht

Das deutsche Genre-Kino hat einen schweren Stand. Von Seiten der Kritiker wird es häufig mit filmgeschichtlichen Verweisen auf das Autorenkino oder die politische Bedeutung des Filmmediums geschmäht. Regisseur Burhan Qurbani hat nun den Schritt gewagt, die Geschichte von Alfred Döblins Großstadtroman „Berlin Alexanderplatz“ frei als bunt glimmendes Neo(n)-Noir-Werk zu interpretieren. Die Handlung spielt im Hier und Jetzt. Aus der Figur des Tagelöhners Franz Biberkopf ist Francis B. (Welket Bungué) geworden, ein Geflüchteter aus Westafrika, den es nach einem beschwerlichen Transit in die deutsche Hauptstadt verschlagen hat. Dort arbeitet er unter Tage an den neuen U-Bahntunneln, welche den Alexanderplatz an den Hauptbahnhof und das angrenzende Regierungsviertel anbinden sollen. Ein Anschluss für Menschen, die in einer vollkommen anderen Welt existieren als Francis, der in einer behelfsmäßigen Sammelunterkunft einquartiert ist.

Dort ist ebenfalls der verschlagene schnauzbärtige Reinhold (großartig gespielt von Albrecht Schuch) unterwegs, der den arbeitswilligen Männern ein anständiges Leben verspricht. Eigene Wohnungen, eigene Autos, eine Freundin. „And you want to fuck your girlfriend in a car“, lockt er sie. Dafür müssten sie nur Drogen in der Hasenheide dealen. Falls sie geschnappt werden, gehen sie in den Knast, so ist das nun mal. Auf manipulative Weise reicht er Francis seine Nummer, geschrieben auf einem 100-Euro-Schein. Wie sollte dieser ihm auch widerstehen können, als Staatenloser ohne Pass in einer Wohlstandgesellschaft?

Qurbani adaptiert „Berlin Alexanderplatz“ nicht als sozialrealistische Bestandsaufnahme der Lebenssituationen von Immigranten im 21. Jahrhundert. Die Erzählung dient vielmehr als Sprungbrett für eine mitreißende Kriminalgeschichte. Francis zieht in Reinholds Wohnung ein und wird dessen Leibeigener. Er soll das Apartment putzen, für die von Reinhold im Stadtpark beschäftigten Dealer kochen und wird auch für sexuelle Handlungen an dessen Liebschaften eingesetzt, denn Reinhold scheint impotent zu sein. Bei seiner Ankunft in Europa hatte Francis sich geschworen, ein respektables Leben zu führen. Trotz seiner Skrupel ist er dem wortgewandten und gerissenen Reinhold jedoch ausgeliefert. „Dieses Land verkauft Waffen an Diktatoren“, weiß dieser seine Zweifel zu besänftigen. Da sei ein bisschen Marihuana, welches im Park verkauft wird, doch nichts Böses. Und mit dem Geschäft habe er ja auch nicht direkt etwas zu tun.

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