FUTUR DREI von Faraz Shariat



Noch ein weiteres Mal inszeniert Regisseur Shariat eine Tanzveranstaltung, dieses Mal eine Kostümparty. Die Wiederholung sorgt für Struktur im Film. Diese gelungene Gegenüberstellung eines ähnlichen Motivs ist zudem einer der Beweise, für die Bemühung des Regisseurs für den Film ein einheitliches dramaturgisches wie ästhetisches Konzept zu entwickeln. Es gelingt ihm allerdings nicht in Gänze. Ein Bruch entsteht beispielsweise mit den expliziten Sexszenen, die der Film enthält. Auch hier möchte der Regisseur vermutlich die ersten Erfahrungen von Parvis mit einem beliebigen Mann, denen mit Amon gegenüberstellen. Das Unpersönliche, Krude der ersten kontrastiert mit der Sinnlichkeit der zweiten. Trotzdem wirken die ersten Szenen eher voyeuristisch, unnötig langgezogen und nicht sonderlich künstlerisch.

Darüber hinaus lenken sie zu sehr von einer der entscheidenden Aussagen des Films ab: Auf dem Balkon steht Parvis neben dem namenlosen anderen Mann, als letzterer sich an ihn wendet und sagt: „Mit einem wie dir hatte ich noch nie Sex.“ „Einem wie mir?“, erwidert Parvis verständnislos. „Ja, einem Südländer. Ich hätte gedacht, du wärst behaarter.“ In diesem Moment wird Parvis schlagartig bewusst, dass ihn längst nicht alle als den Deutschen wahrnehmen, für den er sich hält.
Die Szene zeigt mit ihrer ganzen leisen Wucht, wie zerbrechlich Vorstellungen von Integration und Zugehörigkeit sein können. Regisseur Shariat, der selbst Kind von ehemaligen Migranten ist, verarbeitet autobiografische Elemente im Stoff. Er zeigt auf sensible und nie wertende Weise, das Hin-und-her-gerissen-sein zwischen zwei Kulturen, die vielen Einwandererkindern vertraut sein dürfte. Das Treffen auf die geflüchteten Geschwister aus dem Iran konfrontiert Parvis mit einer ihm bisher unbekannten prekären und existenziellen Realität, über die er gezwungen wird, sich Gedanken zu machen. Gleichzeitig schaffen es die beiden Neuankömmlinge, ihn mit ihrem Lebensmut anzustecken, so dass sie eine intensive gemeinsame Zeit verbringen, die Parvis reifen lässt.

FUTUR DREI ist vieles zugleich: Eine Studie über Identität sowie eine zärtliche Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern, die aus verschiedenen Verhältnissen stammen. Der eine auf der Flucht, hat seine Heimat und alles ihm bisher Vertraute hinter sich gelassen, dem anderen fehlt es augenscheinlich an nichts, trotzdem fühlt er sich zeitweise verloren. In der Behandlung des Themas der Homosexualität weist der Film Parallelen zu Werken des Kanadiers Xavier Dolan und Shariat, der in einem ähnlich jungen Alter mit dem Filmemachen begonnen hat, gelingt es durchaus eine ähnliche Atmosphäre zu erzeugen, die vielleicht dem magischen Realismus zugeordnet werden könnte. Auch wenn der Film immer wieder ernste Töne annimmt, heitern einzelne humorvolle Einfälle die Handlung auf und verhindern, dass er in die Sentimentalität abgleitet.

Teresa Vena

FUTUR DREI, Regie: Faraz Shariat, Darsteller: Benjamin Radjaipour, Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali, Kinostart: 28. Mai 2020. Der Film hat bei der 70. Berlinale seine Weltpremiere gefeiert und gewann den Panorama-Publikumspreis, Teddy Award Bester Film und Queer.de-Leserpreis.

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