„Tao Jie – Ein einfaches Leben“ („A Simple Life“) von Ann Hui


Während des gesamten Films nimmt sie sein Geld nicht an, protestiert über zu teure Geschenke und verlangt, dass er sich auf seinen Job als Regisseur konzentrieren möchte. Alles trotz der Tatsache, dass sie niemanden sonst in ihrem Leben hat.  Sie ist nicht wütend, erwartet Rogers Besuch sogar sehnsüchtig, doch nachdem sie ihr ganzes Leben lang für das Wohlergehen Rogers verantwortlich war, fühlt sie sich schäbig, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Altersheim entpuppt sich mit seinen zahnlosen alten Insassen, die ins Leere starren, zudem als Vorhölle, in der ein gemütlicher, privater Raum eine sterile Kabine mit Papierwänden ohne Decke ist.

Besonders rühren tut die nicht artikulierte Abhängigkeit der beiden voneinander. Man wartet auf eine Umarmung. Man wünscht den beiden eine Dankesbekundung. Zu beidem kommt es nicht. Doch selbst das Tagtägliche im Endlager der Gesellschaft entpuppt sich als weniger düster als in den vorangegangen Einstellungen zu erahnen war. Ah Tao erholt sich von ihrem Schlaganfall, Roger und sie gehen oft spazieren und in einer wunderbaren Sequenz neckt er sie damit, dass der alte Onkel Kin (Paul Chun) wohl lange Zeit ein Auge auf sie geworfen hat. Für einen kurzen Moment wird Ah Tao zum kleinen Mädchen, das tanzen möchte. Jetzt begreift man, dass Ah Tao und Roger eine nach innen gekehrte Liebe füreinander empfinden, die keine großen Gesten, Geschenke und Liebesbekundungen braucht. Ein Streifen, in dem die alte Dame von der Familie vergessen worden wäre, hätte nicht mehr als ein vorhersehbares Melodram hergegeben, doch so präsentiert sich die menschliche Natur völlig transparent und bleibt dennoch undurchsichtig.

Joris J.

Tao Jie – Ein einfaches Leben“ („A Simple Life„), Regie: Ann Hui, Darsteller: Andy Lau, Anthony Wong, Deanie Yip, Tsui Hark, Kinostart: 24. April 2014

1 2