„Die Geschichte vom Astronauten“ von Godehard Giese


"Die Geschichte vom Astronauten", das Regiedebüt von Schauspieler Godehard Giese, feiert seine Berlin-Premiere bei achtung berlin. Foto: achtung berlin

„Die Geschichte vom Astronauten“, das Regiedebüt von Schauspieler Godehard Giese, feiert seine Berlin-Premiere bei achtung berlin. Foto: achtung berlin

Warten auf das Ende

Es heißt, bestimmte Dinge treten von selbst ein, sobald man das Warten aufgibt. Für den einen mag das selektive Wahrnehmung oder blanker Zufall sein, für den anderen sogar ein Beweis für den durch Karma bedingten Lauf der Welt. So oder so: Einige zukünftige Ereignisse lassen sich nur schwerlich beeinflussen oder gar zeitlich vorhersagen. Das Warten auf ein bestimmtes Etwas dehnt folglich die Zeit und lähmt den Wartenden. Das geht ein Leben lang so, zuweilen unterschwellig verborgen und vergraben unter der Zerstreuung des Alltags, dann wieder akut, brennend und offensichtlich unter den Fingernägeln der trommelnden Hand. Dabei beschleunigt Geduld weder den Prozess, noch verändert sie ihn. Trotzdem warten wir, ohne das „Warum?“ hinter dem ständig präsenten „Wann?“ zu befragen.

Wer zu lange eine Sache herbeisehnt, gibt entweder auf oder kultiviert das Warten zu einer stoischen Lebensaufgabe, bei der der finale Eintritt des Gewünschten nebensächlich wird. Um Letzteres geht es im Regiedebüt von Schauspieler Godehard Giese „Die Geschichte vom Astronauten„: Die Autorin Charlotte Scheffner hat sich auf eine abgelegene Mittelmeerinsel zurückgezogen, um einen Roman über eine Frau zu schreiben, die seit Jahren auf die Rückkehr ihres Ehemanns wartet, der einst zu einer Weltraummission aufgebrochen ist. Charlotte hat sich noch nicht entschieden, ob der vermisste Astronaut am Ende ihrer Geschichte zurückkommen wird. Das ist für sie aber auch nicht von Bedeutung. Der „Glaube an das Unwahrscheinliche“ hat gegenüber dem Ergebnis Vorrang.

„So eine Geschichte kenne ich schon“, sagt das kleine Mädchen, das Charlotte eingangs zufällig am Strand trifft. Natürlich. Die Macht der Abwesenheit ist ein altes Erzählmotiv. Sie ist scheinbar die Bürde, die Charlotte auf ihren Schultern trägt, wenn sie bei langen Spaziergängen die Insel erkundet. Davon zeugt nicht nur ein altes Foto in ihrer Geldbörse, sondern auch Gieses Anspruch, seine Hauptfigur mittels ästhetischer Kunstgriffe in ein stetiges Mysterium zu hüllen. Häufig ersetzt er die originale Tonkulisse durch polyphone Klangkonzepte, die mal als bohrende und betäubende Störgeräusche eine undurchdringliche Mauer bilden, mal wie dicke Regentropfen unregelmäßig auf die Bilder prasseln. Bis das Meer wieder lautstark und ohrenbetäubend dazwischen prescht und die wenigen Menschen auf dieser einsamen Insel vollkommen stumm schaltet.

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