„Beziehungsweisen“ von Calle Overweg


Filmszene: "Bezieungsweisen", Foto: Calle-Orweg-Filmproduktion

Filmszene: "Bezieungsweisen", Foto: Calle-Orweg-Filmproduktion

Nachhilfe für’s Happyend

Wer sich für eine feste Beziehung entscheidet, weiß spätestens nach ein paar Fehlversuchen, dass es dauerhafte Stabilität, harmonische Leichtigkeit und einen nicht enden wollenden Gefühlsorkan meistens nicht gratis dazu gibt. Was mit rauschender Verliebtheit begann, artet oft irgendwann in Arbeit aus, sofern denn beide gewillt sind, die Beziehung fortzusetzen. Zum Glück steht man heutzutage mit dem Problem nicht mehr ganz allein da, gibt es doch Menschen vom Fach, die einem dabei helfen können. Eine Paartherapie soll geraderücken, was manchmal schon seit Jahren auf Kipp steht oder völlig brachliegt.
In Calle Overwegs „Beziehungsweisen“ („Negotiating Love„)  nehmen drei verschiedene Paare gegenüber spezialisierten Therapeuten Platz und lassen ihre Partnerschaft gründlich durchleuchten, quasi eine Kompatibilitätsdiagnose. Zunächst sind da Herrmann und Dorothea. Er ist eigentlich ganz zufrieden, nur interessiert sie sich neuerdings für einen Arbeitskollegen. Bei Amelie und Heiko wird das gemeinsame Leben durch eine ungewollte Schwangerschaft auf die Probe gestellt. Obwohl Heiko das Kind will, zweifelt seine Freundin, schließlich hat er es mit Verbindlichkeit und Treue bisher auch nicht so genau genommen. Richtig verfahren ist es allerdings bei Eva und Siegfried: Weil sie ihn schon seit Jahren, ja fast schon Jahrzehnten nicht mehr ranlässt, hat Siegfried sich eben auf Geschäftsreisen gern mal anderweitig umgesehen.

Die von Overweg erdachten Geschichten, denn Achtung, dies hier ist eine inszenierte Performance, sind zugleich banal und vertrackt, weil sie problemlos eine Identifizierung seitens des Publikums zulassen, allerdings nicht per Fingerschnips lösbar sind. Es ist in jedem Fall interessant, den echten Therapeuten, die hier Fiktionsbeziehungen zu retten versuchen, bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. So manches Mal scheint schon genaueres Nachfragen zu genügen um herauszuarbeiten, dass tatsächliche Kommunikation bisher wenig bis gar nicht stattgefunden hat. Als beispielsweise Siegfried den Wunsch nach einem wieder auflebenden Sexualleben mit seiner Eva äußert, empfindet diese das schon fast als Dreistigkeit, so etwas von ihr zu verlangen. In anderen Fällen steht den Therapeuten dann wieder die Überforderung ins Gesicht geschrieben und so ist die Liebes-Klempnerin von Herrmann und Dorothea häufig nur als Anstandswauwau zugegen, damit sich beide nicht völlig an die Gurgel gehen.

Für die Darstellung der Paare im Alltag wählte Overweg anstelle einer häuslichen Umgebung lieber die Theaterbühne. Ein bisschen merkwürdig mutet das schon an, wenn Heiko und Amelie in ein nur noch rudimentär vorhandenes Auto einsteigen, um dort eine Streitsituation zu illustrieren. Aber was soll’s, in diesen Zwei-Personen-Vorstellungen ist ja die Beziehung das eigentliche Drama und zu viel Bühnenschnickschnack gilt heutzutage im Theater eh als unschicklich. Spannend bleibt die Frage, wie sich die Beziehungen letztlich entwickeln und ob, folgt man den Worten Udo Lindenbergs, ein Herz sich manchmal doch noch reparieren lässt. Overweg vermeidet es ins Klischee abzudriften, indem er nun tolle Fortschritte dokumentiert und am Ende liegen sich alle mit neuentfachter Leidenschaft in den Armen. Natürlich gibt es Veränderungen, aber auch Rückschläge; Hoffnungsfunken, aber auch bittere Enttäuschungen. Mockumentary hin oder her, die Fallbeispiele sind realitätsnah entwickelt, die Schauspieler brillieren mit der authentische Wiedergabe derer und die Therapeuten sind, nun ja, eben auch oft nur Menschen. „Beziehungsweisen“ verspricht und hält die Darstellung von Gefühls- und Paarverhältnissen, nicht mehr. Dass in dem Titel das Wort Beziehungswaisen ebenso drinsteckt, ist sicherlich kein Zufall.

Alina Impe

Bezieungsweisen Regie/Drehbuch: Calle Overweg, Darsteller: Leopold Altenburg, Abak Safaei-Rad, Axel Hartwig, Anja Haverland, Gerhold Selle , Kinostart: 11. Oktober 2012

http://www.youtube.com/watch?v=yG7oBTTH2qk