„Blaue Stunde“ von Clemens Helmchen (Juni 20)


„Blaue Stunde“ von Clemens Helmchen ist unser Open Screening-Kurzfilm des Monats Juni 2020.

An jedem dritten Mittwoch im Monat können Filmemacher ihre Kurzfilme – ohne Anmeldung, ohne Vorauswahl, ohne Jury – beim Open Screening im Sputnik Kino Kreuzberg präsentieren und jeweils nach der Vorführung mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Unerwünschte Inhalte können vom Publikum mit mehrheitlich gezogener roter Karte gestoppt werden. Das Ganze ist somit so etwas wie ein Filmfestival ohne Netz und doppelten Boden, bei dem ausschließlich Filmemacher und Publikum entscheiden, was gezeigt wird.
Normalerweise.
In diesen Tagen ist dank Corona nichts normal.

Darum haben wir uns gemeinsam mit den Open Screening-Machern entschieden, euch unseren Kurzfilm des Monats erst recht zu zeigen – wie gewohnt samt Interview mit dem Filmemacher. So erfahrt ihr mehr über den Film, die Macher der Filme und deren Pläne.

Alle Open Screening-Kurzfilme findet ihr in unserem Open Screening-Kanal!

Viel Vergnügen mit unserem Interview mit Clemens Helmchen, der hier übrigens nicht nur für die Regie, sondern auch für Kamera und Schnitt verantwortlich war und seinem Berlin-Kurzfilm „Blaue Stunde„…

Clemens, worum geht es in deinem Film?
Clemens Helmchen:
Es ist Morgendämmerung, die „blaue Stunde“, am Kottbusser Tor in Berlin. Ein Junge hat in einem Club ein betrunkenes Mädchen aufgegabelt, aber lässt sie am „Kotti“ letztendlich allein zurück. Es folgt eine Begegnung mit einer vermeintlichen Bewohnerin.

Wie ist die Idee dazu entstanden?
Letztendlich gab es viele Einflüsse zu der Zeit. Mich hat das Thema Improvisation im Film sehr interessiert. „Love Steaks“ kam heraus und deren Fogma-Manifest hat mich stark beeindruckt. Ich habe vorher schon Improvisationen gedreht und es blieb faszinierend für mich. Diesmal wollte ich es mit einer sehr festen Drehzeit probieren. Wenn dir ein Take nicht gefällt, dreh es nochmal oder der Schauspieler braucht Zeit um in die Rolle zu kommen …
Durch einen Radiobeitrag wurde ich auf die Schönheit der blauen Stunde aufmerksam, dieses so blaue Licht, das im Sommer einzigartig ist. Zur Zeit der Sonnenwende geht die blaue Stunde ungefähr eine Stunde. So hatte ich im August etwas mehr als eine halbe Stunde, die bürgerliche Dämmerung. Eine klare Zeit, in der man sich unter Druck setzen kann, die Dreharbeiten abzuschließen.
Ich habe den Kotti erst so richtig 2014 durch die Doku I love Kotti“ (hier bei vimeo) als Kameramann eines Teams im Rahmen des Landscape Film Festivals kennengelernt. Vorher hielt ich den Ort einfach nur für gefährlich. Ein Ort, an dem man extra aufpassen muss. Aber in einer Gruppe ist es mit einer Kamera okay, wenn man die Leute respektiert. Der Platz ist natürlich nicht einfach, aber am frühen Morgen gegen drei Uhr war er eh leer. Für mich ist dieser Film eher ein geglücktes Experiment.

Weiterlesen: Unsere Kritik zu „Love Steaks von Jakob Lass…

Das „Blaue Stunde“-Team (komplett!) am Kotti: V.l.nr. oben: Thomas Schurr, Ralf Höckel, Clemens Helmchen und unten: Simon Altmann, Ambar de la Horra, Pia Seifert. Foto: Clemens Helmchen

Wie wurde gedreht?
Gedreht habe ich mit meiner Canon 5D3 und weil ich zu der Zeit ein Praktikum bei Ludwig Kameraverleih absolvierte, konnte ich mir ein 32mm Zeiss Compact Prime leihen. Ich hatte auch einen Follow Focus geliehen, habe aber eine normale Baseplate statt einer DSLR-Baseplate mitgenommen. Somit waren die Rohre zu dicht am Objektiv und ich konnte den Followfokus nicht benutzen und habe ohne gedreht. Man sieht in dem Film etwas, dass ich ganz schön lange am Fokus für die Schärfe drehen musste. Rückblickend nicht die beste Wahl – oder ich hätte besser das Rig im Laden zusammen bauen sollen.

Ich bin es gewohnt bei Low-Budget-Drehs mit einem Tonmann zu arbeiten und hatte das Glück, zwei Helfer – Tom und Ralf – zu haben. Während des Drehs folgt die Kamera rein dem Spiel. Den Tonjungs habe ich Handzeichen gegeben, wo sie die Tonangel höher halten oder weggehen sollen, weil ich da beispielsweise hin will. Somit konnten sie auf die Tonangel, die Pegelung und mich achten. Licht haben wir nicht gesetzt.
Wir waren insgesamt sechs Leute: drei Schauspieler, zwei Tonmänner und ich (Regie, Kamera, Catering, Produzent und Schnitt).

Und wie war die Arbeit am Film?
Die Zeit früh morgens in der Woche war gut gewählt. Es war anfangs keiner da, keiner musste verscheucht werden. Requisiten wie Glasflaschen, Kinderwagen oder Einkaufwagen waren einfach da und wurden ohne Aufforderung ins Spiel integriert. In einem Take, beim Gerangel zwischen den Mädels, habe ich eingegriffen. Touristen wollten der am Boden liegenden und schreienden Schauspielerin Pia helfen. Sie haben unser Filmteam nicht gesehen. Das war nett, aber ich hatte nicht den Plan sie mit in den Film zu integrieren.
Es wurde natürlich mehr gedreht als im Film ist. Aber größtenteils ist es ein Zusammenschnitt eines langen Improtakes.

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