„Der Hauptmann“ von Robert Schwentke


"Der Hauptmann" feierte seine Deutschlandpremiere beim 39. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken. Max Hubacher spielt darin den Soldaten Willi Herold. © Julia M. Müller / Weltkino Filmverleih

„Der Hauptmann“ feierte seine Deutschlandpremiere beim 39. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken. Max Hubacher spielt darin den Soldaten Willi Herold. © Julia M. Müller / Weltkino Filmverleih

Des Gefreiten neue Kleider

1945: Die letzten Kriegsmonate sind angebrochen. Hinter der Front haben die Zivilisten den Respekt vor den Uniformen verloren. Nur noch wenige heben die Hand zum Hitlergruß. Seit der versprochene Endsieg in weite Ferne gerückt ist, flüchten die Soldaten aus den Kriegsgebieten. So auch der 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher). Halbverhungert hält er sich abseits der Hauptstraßen als er in einem verlassenen Wagen die Uniform eines Hauptmanns der Luftwaffe entdeckt.
Schon Herolds erster Blick in den Außenspiegel lässt erahnen, wie gut er sich in seiner Kostümierung gefällt. Herold, selbst beinahe von einem Hauptmann zum Spaß in den Tod getrieben, ahmt ihren Befehlston nach, ihre Mimik und Gestik. Ab sofort behauptet er, auf geheimem Sondereinsatz unterwegs zu sein. Trotz fehlender Papiere stellt niemand ihn in Frage. Zu souverän ist sein Auftreten, zu selbstgerecht seine Ansprachen. Innerhalb kürzester Zeit hat Herold eine Schar von Soldaten für seine Leibgarde rekrutiert. Auf Befehl des Führers höchstpersönlich soll der „Kampftrupp Herold“ mit der Ermordung der inhaftierten Deserteure im Emslandlager Aschendorftermoor beginnen, sagt Herold und das Kriegschaos ermöglicht ihm, seiner Gier nach Machtausübung nachzukommen.

Regisseur Robert Schwentke drehte seinen letzten Film in Deutschland im Jahr 2003: die Tragikomödie „Eierdiebe“ mit Wotan Wilke Möhring. Seitdem war er unter anderem verantwortlich für die Verfilmung der Franchise „Insurgent“ und „R.E.D. – Älter, Härter, Besser“ mit Bruce Willis und Morgan Freeman. Die deutsch-polnisch-französische Produktion „Der Hauptmann“ unterscheidet sich in ihrer Tonalität und ausschließlich schwarzweißen Bildgestaltung deutlich von diesen bisherigen Arbeiten des Regisseurs. Der Film, der nur auf den ersten Blick wie eine Neuauflage des Klassikers „Der Hauptmann von Köpenick“ daherkommt, legt seinen Fokus weniger auf die Begebenheiten als auf die Charaktere, die bis in die kleineren Nebenrollen treffsicher besetzt sind. Hervorzuheben ist im Besonderen die schauspielerische Leistung von Samuel Finzi, der als inhaftierter Kabarettist in einer Szene eingeführt wird, die aufgrund ihrer Machart und pointierten Dramaturgie stark an Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ erinnert.

Der Film macht deutlich: 1945 gab es keine Gnade und keine Skrupel mehr. Zwischen den Auftretenden herrscht eine emotionale Kälte, die für die Zuschauerin nur schwer zu ertragen ist. Über allem steht der Opportunismus der Figuren, die ungeachtet ihrer Stellung, zynisch und verroht sind. Besonders der Soldat Kipinski (Frederick Lau) und der Hauptmann Junker (Alexander Fehling) werden dadurch charakterisiert, dass sie jedes Maß für Gewalt verloren haben. Die Willkür und die kindliche Euphorie mit der sie töten, bilden besonders deutlich die psychischen Folgen des jahrelangen Krieges ab.
Die einzige Ausnahme unter den Männern des Kampftrupps stellt der Soldat Freytag (Milan Peschel) dar: loyal und gerecht versucht er, sich dem moralischen Verfall zu verschließen, zerbricht vor den Augen der Zuschauerinnen jedoch Stück für Stück an der Grausamkeit des Hauptmanns Herold.

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