„Die süße Gier – Il Capitale Umano“ von Paolo Virzí


"Die Süße Gier" von Regisseur Paolo Virzì räumte in Italien nahezu wichtigen alle Filmpreise ab. Foto: movienet.

„Die Süße Gier“ von Regisseur Paolo Virzì räumte in Italien nahezu wichtigen alle Filmpreise ab. Foto: movienet.

Der Wert des Lebens

Hinter dieser zunächst leicht und unterhaltsam anmutenden Parabel von Paolo Virzí verbirgt sich eine nicht gerade subtile Moral und Gesellschaftskritik: Die in „Die süße Gier – Il Capitale Umano“ erzählte Geschichte soll die verrottete Moral unserer Gesellschaft aufzeigen, welche vom menschlichen Leben als Humankapital spricht und sich dieser immer auf dem Sprung zur nächsten Sprosse der Karriereleiter befindet.

Die süße Gier – Il Capitale Umano“ beginnt mit dem Heimweg eines Radfahrers, der Opfer eines Autounfalls mit Fahrerflucht wird. Danach lernen wir die Protagonisten des Films zunächst bei einer ungewollten und peinlichen Familienzusammenführung kennen: Der mittelmäßig erfolgreiche Immobilienmakler Dino versucht in den von Geld durchtränkten Dunstkreis des erfolgreichen Geschäftsmannes Giovanni Bernaschi zu gelangen. Dieser ist der Vater von Massimiliano, dem Freund seiner Tochter Serena. Sehr zum Leidwesen der beschämten Teenagerin drängt sich Dino in die Tennispartie des Geschäftsmannes und geht in der Folge sogar ein Aktiengeschäft mit Bernaschi ein. Getrieben von dem Ehrgeiz aus seiner Mittelmäßigkeit auszubrechen und „bei den Großen mitzuspielen“, setzt Dino nach und nach alles, selbst die finanzielle Sicherheit Serenas und seiner noch ungeborenen Zwillinge, auf eine Karte. In seinem Kampf um Anerkennung bringt er die Zuschauer mit seinem fast schon peinlich berührenden Enthusiasmus und seiner ostentativ zur Schau gestellten italienischen Exaltiertheit zum Schmunzeln.

Die anfängliche Unbekümmertheit Dinos wird zunehmend unerträglicher, man ahnt den schlimmen Ausgang, spürt die alles durchziehende Nervosität und sieht den Protagonisten bei ihrem Balanceakt am moralischen Abgrund zu, doch schlussendlich schafft es Virzís Film dennoch nicht, seine Zuschauer emotional zu beteiligen. Die in Kapitel eingeteilten Porträts der Protagonisten repräsentieren filmische Klischeefiguren: den belächelten Familienvater, der sich, ohne Seitenblick auf die Konsequenzen für seine Familie, beweisen will; die gelangweilte Ehefrau des erfolgreichen und kaltblütigen Geschäftsmannes, die aus nostalgischer Reue, ihre Schauspielkarriere zugunsten ihrer Familie aufgegeben zu haben, ein Theater sanieren und wiedereröffnen will; das pubertäre Mädchen, das den vorbestraften Rebellen dem reichen Erben vorzieht… Doch trotz der eher flach gehaltenen Charaktere und dem sehr vorhersehbaren Ende tönt die moralische Fragestellung des Films umso lauter: Was ist ein menschliches Leben wert?

Der Titel bezieht sich auf die Berechnung des Schadenersatzes für das verletzte und dennoch unbeteiligte Opfer dieses Familiendramas, welcher sich unter anderem aus einer Bewertung der damit verbundenen emotionalen Investitionen ergibt. Diese trockene Hochrechnung des Wertes eines Menschen soll aufrütteln: Nehmt das Leben ernst, spielt nicht mit ihm und mit der Zukunft eurer Familie, wie das Aktienhaie mit maroden Unternehmen und Wertaktien tun. Ironischerweise schafft es der Film nicht, die Tragik eines zerstörten Lebens im Rahmen seiner eigenen Forderungen aufzuzeigen und hängt sich an zwischenmenschlichen Dramen wie einer kaputten Ehe oder einer problematischen Teenagerbeziehung auf.

1 2