„Blancanieves“ von Pablo Berger

Die schlafende Schöne

Was für lebenslustige Kulleraugen diese kleine Carmen besitzt. Aufgeweckt und magisch schillernd. Neugierig blicken sie unter den wilden Locken in ein grausames Leben hervor, das sich gerade vor dem Kind ausbreitet. Carmen ist in Pablo Bergers Schwarzweißfilm ein Kind voller Frohgemut, das früh den Vater verliert, die Schikanen der Stiefmutter ertragen muss und sich am Ende, da ist sie zur jungen Frau gereift, freikämpft, Freunde und damit Zuversicht findet. Das kommt einem bekannt vor, wenn auch in mirakulöserer Form. Regisseur Pablo Berger hat sich mit „Blancanieves„, der bei den 27. Goya Awards zehn Trophäen gewann, einem Klassiker der Kinder- und Hausmärchen gewidmet: Schneewittchen.

Seine Adaption des Grimm-Märchens sticht unter den neueren fürs Kino adaptierten Varianten, etwa dem erniedrigend-lieblosen Actioner „Snow White & The Huntsman“ (Rupert Sanders) und Tarsem Singhs irrlichterndem und mit Pomp überfrachtetem „Mirror, Mirror„, nicht nur durch seine gelungene Stummfilm-Ästhetik hervor. Berger versetzt sein Schneewittchen in die spanischen Stierkampfarenen, in die Zeit der Wandermenagerie und Freakshows.

Weiterlesen: Regisseur Pablo Berger im ausführlichen Gespräch über seinen Film

Carmen ist die Tochter einer Flamencotänzerin, die bei ihrer Geburt verstirbt, und des berühmten Toreros Antonio Villalta, der bei einem Stierkampf am Tag ihrer Geburt schwer verletzt wird und fortan an den Rollstuhl gefesselt ist. Auftritt der bösen Stiefmutter, Encarna, die von Maribel Verdú fabelhaft als laszive Domina-Inkarnation dargestellt wird. Das Märchen nimmt seinen gewohnten Lauf. Carmen wird von der Stiefmutter gezüchtigt und drangsaliert, der Vater vegetiert wort- und haltlos dahin, bis er schließlich von Encarna ganz beseitigt wird und Carmen, die, mittlerweile zur jungen Frau gereift, ihrem Vater im Beruf nacheifert, verbannt wird. Aufnahme findet die liebreizende Waise bei sieben Zwergen, Freaks einer wandernden Zirkusrevue und Ausgestoßene wie sie, die in ihr nicht nur das Waisenkind sondern eine begnadete Stierkämpferin entdecken.