„Fikkefuchs“ von Jan Henrik Stahlberg



Schonungslosigkeit und Provokation sind sicherlich die Hauptingredienzen von „Fikkefuchs„, der von Stahlberg ganz ohne Fördergelder und TV-Beteiligung als Crowdfunding-Projekt realisiert wurde und sicherlich seine Direktheit auch diesem Produktionsstil verdankt. Die Schockeffekte werden keineswegs nur um ihrer selbst Willen eingesetzt. Vielmehr zeigt Jan Henrik Stahlbergs Film Männer, die sich Fantasiewelten konstruiert haben, um die komplexe Realität und ihre eigenen Unzulänglichkeiten aushalten zu können. Während Thorbens Fantasiewelt aus den Versatzstücken der digitalen Pornoindustrie zusammengebaut ist, in der lauter „naturgeile“ Bitches ständig nur darauf warten, ihn zu vernaschen, hat sich Rocky einen Erinnerungskäfig gezimmert, in dem er als ewiger 17-Jähriger am Sonnenstrand abhängt. So viel zum Argument, dass das Analoge immer notwendig romantischer und zärtlicher ist als das Digitale.

Es reicht „Fikkefuchs“ (das Drehbuch wurde von Stahlberg und Wolfram Fleischhauer geschrieben) jedoch nicht, die an Männer gerichteten (oft übersexualisierten) Identitätsangebote als Illusionen zu entlarven – er möchte seine Protagonisten auch gern glücklich sehen. Damit ist er dann ganz nah an Todd Solondz’ „Happiness“, der das Recht des Einsamen und Perversen auf das persönliche Glück in bitterböser Drastik diskutierte.
Doch die gut gemeinte Intention wirft die Frage auf: Wie soll das gehen mit der Empathie und Sympathie bei einem potentiellen Vergewaltiger und einem misogynen Zyniker? Stahlberg lässt einen mit dieser Ambivalenz allein, aber er tut zumindest Einiges, um die aufgerissenen Abgründe aufzuhübschen. So agieren Vater und Sohn beispielsweise als unangepasste Gentrifizierungs- und Normativitätskritiker, was in einigen Zuschauern uneingeschränkten inneren Jubel auslösen wird. „Seh‘ ich aus wie ein Siedler?“ fragt Rocky den Kollegen im Coworking-Space, als der ihn einladen will, mit ihm und seiner Familie Gesellschaftsspiele zu spielen. Noch besser steht der Suche nach dem sexuellen Happy End aber die Tatsache, dass sich keine der auftretenden weiblichen Charaktere auf eine der Rollen reduzieren lässt, die sich Vater und Sohn so sehr für sie wünschen. Im Gegenteil. Die vermeintlichen Lustobjekte lassen jedwede Willigkeitsprojektion knallhart an sich abprallen, oft mit herrlicher Berliner Schnauze – und manchmal verkaufen sie die Illusion auch völlig nüchtern, mit ernstem Blick und ganz ohne Lust.
Fikkefuchs sein ist eben nicht jederfraus Sache. Und ein ziemlich einsames Geschäft noch dazu.

Marie Ketzscher

Fikkefuchs„, Regie: Jan Henrik Stahlberg; DarstellerInnen: Jan Henrik Stahlberg, Franz Rogowski, Kinostart: 16. November 2017

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