„Loving“ von Jeff Nichols



Nichols, der auch für das Drehbuch zuständig war, beschreibt die Gefühle und Emotionen jeder einzelnen Person auf seine ganz besondere Weise. Die Filmsprache spielt mit sehr vielen Großaufnahmen von Gesichtern, ohne dass viel Text notwendig ist. Diese stillen Momente sagen mehr als Worte es können.
An dieser Stelle muss die schauspielerische Leistung von Ruth Negga (Mildred) und Joel Edgerton (Richard) gewürdigt werden, die diese stillen Momente solch eine starke Ausdruckskraft verleihen. Haben die Figuren Text, dann ist dieser auf den Punkt gebracht.
Mildreds kämpferische Eigenschaften, werden nicht nur durch ihr Handeln oder ihre Emotionen ausgedrückt, sondern durch ihre Worte: Als ein Journalist bei den Lovings zu Gast war, fragte dieser die junge Frau, ob sie denkt, dass sie verlieren werden. Mit ihrer ruhigen, aber doch zuversichtlichen Art antwortet Mildred: „Wir verlieren die kleinen Schlachten, aber wir gewinnen den Krieg.“ Die Liebe überwindet alle Hindernisse und durch Mildred zeigt sich, dass es sich lohnt bis zum bitteren Ende zu kämpfen.

Für Nichols ist „Loving“ die fünfte Regiearbeit und die zweite Zusammenarbeit mit Schauspieler Joel Edgerton. Seine Premiere feierte der Film 2016 auf den Cannes Filmfestival und lief dort im internationalen Wettbewerb. „Loving“ ist ein berührender, spannender und eindrücklicher Film, der mehr als nur über die Liebe erzählt. Der Fall Loving vs. Virginia veränderte die Verfassung und ab diesen Zeitpunkt war das Verbot der Rassenübergreifenden Heirat außer Kraft gesetzt. Es war nicht der erste Fall in den USA der vor Gericht ging, aber diese Liebesgeschichte war die Letzte, die vor Gericht ihre Stärke beweisen musste.

Schaut man Richard über die Schultern und in die Augen während er so auf der Terrasse sitzt, fühlt man sich ihm so nah, sieht seinen Schmerz und seine Wunden. Das ist es, was diesen Film so berührend macht. Man kennt diese Personen nicht, aber man fühlt ihre Geschichte, leidet mit ihnen und freut sich mit ihnen. Wir lernen beide am Anfang des Films nicht wirklich kennen. Wir werden förmlich hineingeworfen in ihre Geschichte. Aber es vergehen keine fünf Minuten und wir stehen neben ihnen, kennen sie. Der Film verlangt gerade am Anfang sehr viel von uns, da wir noch so unwissend sind. Es gibt keine klassische Personen- oder Zeiteinführung. Nur über die Ausstattung und die Kostüme erahnt das Publikum, dass es sich um die Fünfziger Jahre handeln muss und Amerika die Verortung ist. Erst als beide erstmals vor Gericht stehen, erfahren wir die Zeit und vor allem die Problematik. Dennoch wird dieses einzige Manko überschminkt von der wundervollen Bildsprache und der Kameraführung, die uns 120 Minuten lang geboten wird.
So sehen wir in den Augen Richards die Entschlossenheit und die Liebe zu seiner Mildred, als er dem Anwalt sagt, was dieser den Richtern entgegnen solle.

Sophia Förtsch

Loving„, Regie: Jeff Nichols; DarstellerInnnen: Ruth Negga, Michael Shannon, Marton Csokas, Joel Edgerton, Nick Kroll; Kinostart: 15. Juni 2017

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