„Maps to the Stars“ von David Cronenberg



Nach und nach brechen, wie für Cronenberg typisch, die finsteren persönlichen Abgründe der Figuren durch die glänzende Fassade. Wir erfahren, dass Agatha in der Vergangenheit ihr Elternhaus niedergebrannt hat und so beinahe ihren Bruder Benjie tötete. Nach einem langen Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt ist sie nun in die Nähe ihrer Familie zurückgekehrt. Ihr Vater (John Cusack) setzt alles daran, sie von ihrer Mutter und Benjie fernzuhalten. Währenddessen muss Havana Segrand verzweifelt feststellen, dass ihre Wunschrolle mit der Konkurrentin Azita Wachtel besetzt wurde.

Bruce Wagners Skript bewegt sich zwischen einer scharfzüngigen Satire des Hollywoodschen Starsystems und einem düsteren Psychothriller. So beschwert sich Benjie nach dem Benefizbesuch bei einem jungen Mädchen im Krankenhaus wüst bei seinem Agenten, dass diese nicht wie erwartet aidskrank sei, sondern „nur“ an dem ihm unbekannten Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt ist. Ähnlich bissig gestaltet sich Havana Segrands euphorischer Freudentanz im Garten, nachdem sie erfährt, dass sie nach dem plötzlichen Tod von Azita Wachtels Sohn für die angestrebte Rolle wieder im Rennen ist. Sowohl Benjie als auch Havana werden allerdings auch zunehmend von unheimlichen Erscheinungen heimgesucht, bei denen es sich um übernatürliche Visionen oder stress- und drogeninduzierte Psychosen handeln könnte. Während Benjie nachts Besuch von dem mittlerweile verstorbenen Mädchen aus dem Krankenhaus bekommt, erlebt Havana verstörende Tagträume in der Gestalt ihrer jungen Mutter.

Teenie-Schwarm Robert Pattinson als Jerome (rechts, neben Mia Wasikowska). © Daniel McFadden

Teenie-Schwarm Robert Pattinson als Jerome (rechts, neben Mia Wasikowska). © Daniel McFadden

Der Film „Cosmopolis“ stellte einen stilistischen Wandel in Cronenbergs Œuvre dar. Während sich der Regisseur bereits in „Videodrome“ oder „eXistenZ“ mit dem Verhältnis von realen und virtuellen (Video-)Ebenen beschäftigte, verschwammen diese Elemente bei „Cosmopolis“ vollends. Die Handlung spielte in dem artifiziellen Raum einer luxuriösen Stretchlimousine im Occupy-Chaos von Manhattan. Das Geschehen außerhalb des Fahrzeugs wurde im Studio mithilfe von Greenscreens eingeblendet und verlieh dem Spielraum somit eine fremdartige Unnatürlichkeit. Obwohl „Maps to the Stars“ zum Großteil auf digitale Effekte verzichtet (mit Ausnahme eines befremdlich schlecht animierten computergenerierten Feuers gegen Ende, welches vollends aus dem ansonsten hochwertigen visuellen Rahmen fällt), wirkt der Spielraum auf ähnliche Weise distanziert. Plötzliche Szenenübergänge, die Verwendung von Halbtotalen und der Verzicht auf Establishing Shots erwecken einen desorientierenden Eindruck und unterstreichen die Leere hinter der Oberflächlichkeit der Bilder.

Cronenbergs erster an Originalschauplätzen in den USA gedrehter Film entlarvt somit bewusst die Illusion der Traumfabrik Hollywood und des Filmmediums in der Popkultur. Dabei greift der Autorenfilmer wie gewohnt ebenfalls auf die Spannungselemente des Genrefilms zurück. Letztendlich kann er damit ebenso die unbändige Faszination der Bilder verdeutlichen, die das Publikum nichtsdestotrotz noch immer vor die Leinwand (bzw. Bildschirme) zieht.

Henning Koch

Maps to the Stars„, Regie: David Cronenberg, DarstellerInnen: Julianne Moore, Mia Wasikowska, Evan Bird, John Cusack, Robert Pattinson, Kinostart: 11. September 2014

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