„Shin Godzilla“ von Hideaki Anno und Shinji Higuchi


Shin Godzilla“ vereinigt verschiedene Genreelemente in sich, aber ganz eindeutig lässt sich der Film als politische Satire lesen. Der Ministerpräsident und sein Stab an älteren, konservativen Männern machen keine gute Figur. Sie wirken wie geistlose Marionetten gefangen in einer bürokratischen Routine voller Papierkram, Floskeln und ewigen Verbeugungen, als seien letztere Ausdruck der schweren Last, die auf den Schultern jedes einzelnen lastet. Vielmehr versuchen sie damit scheinbar ihre Verantwortung abschütteln. Trotz überspitzter Darstellung, spiegelt die Zeichnung der Charaktere eine soziale und politische japanische Realität: Die Dominanz des beruflichen und öffentlichen Alltags durch Männer sowie eine Hass-Liebes-Beziehung zu den USA. Die einzige relevante weibliche Figur in der Geschichte ist eine junge Japanerin, die in den USA aufgewachsen ist, dort ausgebildet wurde und nun seit Jahren als Beraterin für das US-amerikanische Verteidigungsministerium tätig ist. Abgesehen davon, dass sie ein unverständlich, schlechtes Englisch spricht, ist sie eindeutig viel zu jung für eine solche Position. Zudem tritt sie als aufdringliche, laute Tussi auf, die keinen Wert auf förmlichen Anstand legt. Nicht nur die Japaner vertreten ein solches Klischee von US-Amerikanern, doch wird sie zur Witzfigur und wirkt wie die Erfüllung einer weiblichen Pflichtquote.

In Bezug auf die Beziehung zu den USA thematisiert der Film eine tiefsitzende Frustration über eine politische Bevormundung Japans durch die USA, die wohl auf den Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Die USA bieten im Kampf gegen Godzilla ihre Hilfe mit Atomwaffen an, was Japan, erneut dem Erdboden gleichmachen würde – natürlich zum Wohl der restlichen Menschheit, auf die das Monster als nächstes losgehen könnte. Es gilt nun, erstmals ein eigenes Selbstbewusstsein als souveräne Nation zu beweisen.
Mit dem Film verarbeiten die Autoren zusätzlich einen Abschnitt ihrer aktuellen Geschichte: Fukushima. Das Monster hat radioaktive Abfälle gefressen, die auf dem Meeresboden gelagert wurden. Seine Energie zieht es aus einem radioaktiven Kern, es handelt sich um ein wandelndes, aus der Kontrolle geratenes Atomkraftwerk. Das Monster haben die Menschen durch ihren unvernünftigen Umgang mit den Energieressourcen selbst erschaffen. Alles rächt sich. Passen wir nicht auf, schreiten wir immer weiter auf eine Katastrophe zu, die unsere ganze Existenz bedroht. Das liest sich als eine der Nachrichten aus dem Film heraus. Den Autoren fehlt allerdings der Mut zur entscheidenden Wendung, so dass der Schluss nur mäßig überzeugt.

Kommen wir auf den Protagonisten von „Shin Godzilla“ zurück, präsentieren uns die Autoren ein ungewöhnliches Monster. Als es zu erst aus dem Meer hervortaucht, fallen seine überdimensionierten runden Glubschaugen und sein mit Kiemen versetzter Hals auf. Wie eine ungeschickt animierte Marionette bewegt sich das Tier. In kurzer Zeit durchläuft es allerdings eine Verwandlung, die auf ihre Weise fasziniert. Wirkte Godzilla anfangs leicht anrührend, bleibt am Schluss davon nichts mehr übrigt. In einigen beeindruckenden, spektakulären Szenen kommt es zum Kampf gegen Godzilla, der spannend animiert wurde und die Zerstörungswut der Autoren genüsslich einfängt. Das Genre der kaiju-Filme, Filme mit „gigantischen Monstern“, hat in Japan seinen Ursprung in den 1950er Jahren und erfreut sich beim Publikum offensichtlich großer Beliebtheit. „Shin Godzilla“ wurde von einer der ältesten und größten japanischen Filmunternehmen, den Toho Studios, produziert und wird 2017 bereits eine Fortsetzung erhalten – worauf die offenen Fragen am Ende von „Shin Godzilla“ geschickt vorbereiten.

Teresa Vena

Shin Godzilla„, Regie: Hideaki Anno, Shinji Higuchi, Darsteller: Hiroki Hasegawa, Yutaka Takenouchi, Satomi Ishihara, Ren Osugi, Shinya Tsukamoto

1 2