„Tigermilch“ von Ute Wieland


Die Freundinnen Nini (Flora Li Thiemann) und Jammelah (Emily Kusche) mit Tigermilch über den Dächern Berlins. © FILMFEST MÜNCHEN 2017

Die Freundinnen Nini (Flora Li Thiemann) und Jammelah (Emily Kusche) mit Tigermilch über den Dächern Berlins. © FILMFEST MÜNCHEN 2017

Kinder in Kniestrümpfen

Wenn die anderen Mädchen nach der Schule zum Klavierunterricht gehen, machen sich Nini (Flora Li Thiemann) und Jammelah (Emily Kusche) fertig für die Kurfürstenstraße. In der Schultoilette werden die Lippen rot und die Augen schwarz geschminkt, die Füße verschwinden in goldenen High Heels und geklauten Kniestrümpfen. Ihre 14 Jahre sieht man den beiden kaum noch an, wenn sie sich lasziv in die Autos der Freier lehnen, bevor sie sie abziehen und türmen.

Das Geld stecken die beiden in Klamotten, Eis im Schwimmbad, Zigaretten, Dessous und die Zutaten ihres selbstkreierten Longdrinks „Tigermilch„. Ein Teil Milch, ein Teil Maracujasaft und auffüllen mit Weinbrand. Getrunken wird er am besten aus einem Plastikbecher in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause. Plattenbausiedlung, zwanzig Geschosse hoch.

In ihrem Mikrokosmos kennen Nini und Jammelah jeden, wissen um Familiengeschichte und Aufenthaltsstatus. Trotzdem versuchen sie auszublenden, dass auch Jammelah und ihrer Mutter die Abschiebung zurück in den Irak droht. Und das obwohl Jammelah besser Deutsch spricht als Nini und standardmäßig Bestnoten bekommt. Für sie ist der Irak nur ein Land, in dem man die Häuser aus Kameldreck baut. Für Nini ist Deutschland einfach nur scheiße und ohne Jameelah nicht auszuhalten. „Schwör, dass wir für immer zusammen bleiben und du mich nie alleine lässt“, bittet Nini und Jammelah nickt so stoisch als könne sie tatsächlich selbst entscheiden.

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