„Tu nichts Böses“ (OT: „Non essere cattivo“) von Claudio Caligari


Der italienische Regisseur Claudio Caligari präsentiert ein Sozialdrama fern vom Klischee der italienischen „dolce vita“. Die römische Vorstadt, in der die Geschichte angesiedelt ist, beschreibt er als langweilig und farblos. Das äußere Erscheinungsbild anhand der wenig inspirierten Architektur und die kaum vorhandene kulturelle Infrastruktur, ähnlich wie das einer französischen Banlieue, überträgt sich auf die Einwohner. Als Antriebslosigkeit lässt sich vermutlich dieses übergreifende Gefühl am besten definieren. Insbesondere die junge Generation wirkt perspektivlos und sucht nach Ablenkung.
Caligari fängt mit einem gemächlichen Rhythmus und einer spärlichen Beleuchtung, da die Mehrheit der Szenen nachts spielen, die Umgebung ein. Er verzichtet auf besondere Effekte, bleibt den Figuren immer sehr nah und entscheidet sich für die Ästhetik der Handkamera. Alles trägt dazu bei, dass der Zuschauer den Eindruck der Authenzität und Unmittelbarkeit erhält.

Caligaris Stil zeugt von seinen Anfängen im dokumentarischen Fach. Caligari starb 2015 mit 67 und hinterließ, nebst sechs Dokumentationen aus den 1970er Jahren, insgesamt nur drei Spielfilme. Er ist in Italien bisher wenig bekannt, geschweige denn über die Landesgrenzen hinaus. Auch in seinen früheren Arbeiten interessiert er sich für das Thema Drogen und deren Konsequenzen für Jugendliche. Durch die Wahl des Stoffes, aber auch durch seine Filmsprache, nimmt er eine singuläre Position im italienischen Film ein. Italien verdrängt nämlich seit Langem das Thema Drogensucht aus der öffentlichen Debatte, auch die Perspektivlosigkeit, also der Mangel an beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der jüngeren Generation, bleiben Tabu. Fürchtet sich vielleicht die führende Gesellschaftsschicht vor der Frage nach der Verantwortung? Eine gewisse Parallele zu „Tu nichts Böses“ kann zu Gianfranco Rosis Dokumentation „Sacro GRA – Das andere Rom“ (2013) gezogen werden, in der ebenfalls die Vororte Roms eine Rolle spielen.

Weiterlesen: Unser Artikel zum letztjährigen Italienischen Filmfestival in Berlin und unser Interview mit Alessandro Borghi, einem der Hauptdarsteller von „Tu nichts Böses„…

Die Hauptrollen in „Tu nichts Böses“ übernehmen Luca Marinelli und Alessandro Borghi, beide aufstrebende Schauspieler. Marinelli konnte sein Talent vor Kurzem auch im originellen „Lo chiamavono Jeeg Robot“ (2015), einer Mischung zwischen Science-Fiction, Anime-Verfilmung und Mafiadrama, unter Beweis stellen, wofür er den David di Donatello für die beste Nebenrolle erhielt. Für seine Darstellung in „Tu nichts Böses“ wurde er am Filmfestival in Venedig prämiert. Marinelli wie auch Borghi wurden 2013 beziehungsweise 2016 als „Shooting Stars“ bei der Berlinale ausgezeichnet. Borghi überzeugt in „Tu nichts Böses“ durch ein reduziertes Spiel, in dem er Übertreibungen meidet.

Teresa Vena

Tu nichts Böses“ (OT: „Non essere cattivo„), Regie: Claudio Caligari, Darsteller: Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Silvia D’Amico, Roberta Mattei, Valentino Campitelli, Kinostart: 6. April 2017

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