„Who Am I – Kein System ist Sicher“ von Baran Bo Odar


Regisseur Baran Bo Odar schickt Tom Schilling (links) und Elyas M’Barek in die untiefen des Darknets. © Sony Pictures Releasing

Regisseur Baran Bo Odar schickt Tom Schilling (links) und Elyas M’Barek in die dunklen Ecken des Darknets. © Sony Pictures Releasing

 Im Bilderrausch des Darknet

Benjamin (Tom Schilling) hat Mist gebaut. Wobei Mist wohl etwas untertrieben ist, schließlich sitzt er gerade im Verhörraum von Europol und wird von der Cybercrime-Ermittlerin Hanne Lindberg (Trine Dryholm) befragt. Benjamin wird vorgeworfen, Teil einer internationalen Organisation zu sein, die in Kontakt mit der russischen Cyber-Mafia steht. Er hat sensible Daten des BKA entwendet und soll sogar mehrere Menschenleben auf dem Gewissen haben. Aus irgendeinem Grund, scheint der blass-unauffällige Junge mit der großen Kapuze eine Vertrauensbeziehung zu Lindberg aufgebaut zu haben. Also beginnt er, seine, und die Geschichte einer kleinen Hackergruppe namens CLAY, die in das Schussfeld des organisierten Verbrechens geraten ist, nach und nach zu enthüllen. Genug Stoff also, für einen spannenden und actionreichen Thriller.

Nach Wikileaks, Anonymous, Snowden und der NSA-Affäre greift „Who Am I“ ein populäres und breit diskutiertes Zeitphänomen auf und übersetzt es in einen überwältigenden Bilderrausch. Rastlos und gehetzt treibt Regisseur Baran Bo Odar („Das letzte Schweigen„) seinen Außenseiter-Helden durch die cool-stilisierten Nachtwelten Berlins und die Untiefen des Darknets. Wirklich gelungen ist dabei die Visualisierung der Online-Kommunikation als düster-unheimliches Treffen im U-Bahn-Wagen, sowie die von Anonymous inspirierten Masken der Hacker, die das Identifikationspotenzial erhöhen und gleichzeitig die Probleme der Darstellbarkeit dieser monochromen Netzkommunikation lösen. Überhaupt ist „Who Am I“ ein furioser Bilder- und Schnitt-Reigen, ästhetisch und stilistisch State of the Art, die – und nach diesem Vergleich lechzt die gesamte Produktion geradezu – auf Augenhöhe mit aktuellen internationalen Großproduktionen des Unterhaltungskinos agiert.

Doch was hilft es, wenn die Bilder lustvoll auf einen einprasseln, sich aber die zugrunde liegende Story und die agierenden Figuren in einer erschreckenden Schablonenhaftigkeit präsentieren, die niemals ein echtes Interesse am Erzählten zu haben scheint? Versinnbildlicht wird die inhaltsleere Einfallslosigkeit durch die Szenen der Partyexktase, wenn sich die Gruppe, nach einen gelungenen Coup, selbst feiert und in einem Sportwagen über die Stadtautobahn brettert. Plötzlich ist man mittendrin in der auf Posen gestylten Oberfläche der im Vorprogramm ausgestrahlten Werbespots für koffeinhaltige Erfrischungsgetränke und Sparkassenerlebniswelten, die auf peinliche Weise versuchen, ein vermeintlich junges Lebensgefühl zu vermitteln.

Tatsächlich ist es so, dass Odar das Thema des Films lediglich als Vehikel nutzt, um eine Hommage an Vorbilder wie „Fight Club“ und „Die üblichen Verdächtigen“ zu erschaffen. Auch Maximilian Erlenwein hatte sich zuletzt mit „Stereo“ an Vorbildern wie Lynch, Cronenberg und Fincher abgearbeitet, doch „Who Am I“ treibt die Referenzen auf die Spitze – allerdings ohne das Spiel mit den Zeichen und Verweisen jemals als postmodernen Kommentar einzusetzen, wie es seine Vorbilder tun.

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