„Wilde Rosen“ (OT: „Dzikie róże“) von Anna Jadowska


"Wilde Rosen" blickt in betörenden Bildern in die polnische Provinz. © Antpode

„Wilde Rosen“ blickt in betörenden Bildern in die polnische Provinz. © Antpode

Ein vorgegebener Weg

Ewa bewegt sich ziellos. Sie schiebt den Kinderwagen ihres Sohnes über die Feldwege, geht stur geradeaus. Bis auf ihre Schritte und den Wind ist es still. Weder Autos und noch andere Menschen sind unterwegs. Ewa scheint auf eine Veränderung zu warten, die sich einfach nicht einstellt. Gerade einmal 27 Jahre alt ist die Protagonistin in Anna Jadowskas „Wilde Rosen“, doch ihr weiterer Lebensweg scheint längst vorgezeichnet. Sie ist hauptberuflich Mutter. Das Haus, in dem sie mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern lebt, ist ein halb fertiger Neubau, die Fassade noch immer abgeklebt, das Mobiliar unvollständig. An das Haus grenzt nur die polnische Einöde. Direkte Nachbarn gibt es nicht.

Dennoch ist Ewa mit ihrem abwesenden Blick das Gesprächsthema im nahegelegenen Dorf. Es hat längst die Runde gemacht, dass sie in einer Klinik stationiert war. Dass ihr Mann sie allein lässt, um im Ausland zu arbeiten und dass Ewa eine Beziehung zu dem 16-Jährigen Marcel gehabt haben soll.
„Warum habe ich so abstoßende, beschissene Eltern?“, fragt Marysia, Ewas sechsjährige Tochter, und Ewa bleibt ihr die Antwort schuldig.
Egal wofür man sie angreift, sie schweigt.

1 2