„Wilde Rosen“ (OT: „Dzikie róże“) von Anna Jadowska



Anna Jadowska erzählt in ihrem vierten Langfilm von der Tristesse eines Lebens auf dem Land und dem eingeschränkten Kosmos zwischen Dorfkirche und dem eigenem Zuhause. Der Film bebildert die Sprachlosigkeit seiner Protagonistin mit bedrückenden Naturbeobachtungen und Nahaufnahmen abgekämpfter Gesichter. Auf erklärende oder einordnende Dialoge wird vollständig verzichtet. Die Motivationen der Figuren werden anhand von mimischen und gestischen Feinheiten inszeniert. Ansonsten herrscht minutenlang Stille. Ein Großteil der Szenen zeigt Ewa allein.

Viele der Leerstellen, die „Wilde Rosen“ aufmacht, werden gar nicht, oder erst in den letzten Minuten des Films geschlossen. Dadurch bleibt die Handlung für die Zuschauerin insgesamt unvorhersehbar und manchmal auch unverständlich.
Dies mag beabsichtigt sein, denn das Augenmerk des Films liegt auf der Erkrankung der Protagonistin, die nie explizit als Depression benannt wird. Auf die Zuschauerin wirkt es so, als würde Ewa von ihren eigenen Emotionen überrollt. Immer wieder harrt sie lethargisch in Situationen aus. Anderen gegenüber kann sie sich nur schwer artikulieren. Sowohl Ewas Ehemann Andrzej als auch ihre Mutter bevormunden sie. Eigene Entscheidungen zu treffen, wird ihr von ihrem Umfeld nicht zugetraut. Umso nachvollziehbarer ist Ewas Wunsch nach einem unbestimmten Mehr. Das sucht sie bei dem 16-Jährigen Marcel, der ihr zwar Aufmerksamkeit entgegenbringt, aber eher aus einer jugendlichen Vernarrtheit, nicht aber aus Liebe. Wirkliche Nähe kann Ewa einzig zu ihrem Sohn Jas herstellen, der gerade einmal alt genug ist um zu laufen, nicht aber zu sprechen.

Wilde Rosen“ steigert im letzten Drittel unerwartet rapide sein Tempo, als Ewa Jas inmitten der Wildrosensträucher aus den Augen verliert. Es sind nur ein paar Minuten, die sie ihn alleine lässt, doch das Kind scheint unauffindbar. Während Ewa der Verzweiflung unterliegt, formiert Andrzej die Männer aus dem Dorf zu einem Suchtrupp. In den Nachtaufnahmen, die bestimmt werden von gellenden Rufen und Wehklagen, wird eine Verzweiflung bei Ewa deutlich, die weit über die Sorgen einer Mutter hinausgeht. In ihrem Gesicht zeigt sich die Verzweiflung eines ganzen Lebens.

Emily Grunert

Wilde Rosen“ (OT: „Dzikie róże„), Regie: Anna Jadowska, DarstellerInnen: Marta Nieradkiewicz, Michał Żurawski, Halina Rasiakówna, Konrad Skolimowski, Natalia Bartnik, Dominik i Daniel Wesling, Dominika Biernat, Bartłomiej Firlet, Matylda Paszczenko, Katarzyna Skarżanka

Termine beim Filmfestival Cottbus:
Freitag, 10. November, 17 Uhr, Stadthalle
Samstag, 11. November, 15 Uhr, Weltspiegel

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