Interview mit „This Ain´t California“-Regisseur Marten Persiel
Bretter, die die Welt bedeuten
Filmemacher Marten Persiel belebt mit seinem Dokumentarfilm „This Ain´t California“ die fremde Welt der Rollbrettfahrer in der DDR wieder und hat wahre Schätze an Super-8-Filmen aus dieser Zeit geborgen. Er erzählt die Pubertätsgeschichte dreier Teenager, die auf dem Asphalt der bröckelnden DDR der 80er Jahre ausgerechnet das Skateboard für sich entdecken.
Gab es in der DDR eine richtige Skateboard-Szene?
Das schon, aber die war ziemlich klein. Vielleicht 200 Leute.
Wie kam es zu der Dokumentation?
Die Idee entstand vor zwei, drei Jahren bei einer Skater-Session. Ich selbst fahre seit über 25 Jahren Skateboard. Darum liegt mir das Thema sehr nah. Ich saß mit Freunden auf dem rauen Ostberliner Beton und wir haben darüber nachgedacht, ob der schon zu DDR-Zeiten befahren wurde. Ich habe dann angefangen zu recherchieren. Das war wie eine Schatzsuche und ich bin dabei auf unglaubliche Biographien gestoßen. Unter anderem habe ich einen Hobbyfilmer gefunden, der damals unglaublich viele Super-Acht-Filme gemacht hat. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass es ein Thema für einen Dokumentarfilm ist.
Wo kamen die Skateboards her? Haben sie die selbst gebaut?
Das war natürlich das größte Problem. Ein Teil der Jugendlichen waren Kinder von Künstlern und Diplomaten. Kinder, die dank der Position ihrer Eltern Vorteile genossen und die Skateboards aus dem Ausland mitgebracht bekommen haben. Aber es wurde vor allem viel selbst gebaut, ähnlich wie in den Anfängen der Skateboardszene in den USA in den 60er Jahren. Die Boards wurden aus Rollschuhen hergestellt.
Und die hießen dann Skateboards?
Es waren einfach Rollbretter. Das lag auch daran, dass viele nicht wussten, wie man Skateboard richtig ausspricht oder schreibt. Wir haben Briefe gefunden, in denen das Wort sehr unterschiedlich geschrieben worden ist. Das war sehr witzig anzusehen.
Eines dieser selbstgebauten Bretter gesehen?
Viele davon. Einige sieht man auch im Film. Für viele sind das einmalige Erinnerungsstücke und Gefühlsträger. Viel spannender fand ich es aber, dass die Sportwirtschaft der DDR das Potential des Sports erkannt hat. Germina hat sogar ein offizielles Skateboard, den Germina Speeder, hergestellt.
„This Ain´t California“ ist kein reiner Dokumentarfilm, denn er erzählt die Geschichte dreier Freunde…
Wir haben sehr viele Interviews geführt und diese mit Archivmaterial kombiniert. Ich wollte aber keinen Film machen, der nur faktisch funktioniert, sondern der das Lebensgefühl dieser Zeit transportiert. Der Zuschauer erfährt zwar viel über die Geschichte des Sports, aber er wird vor allem unterhalten. Darum erzählen wir letztlich auch die Geschichte dieser Freunde und zeigen, wie ihre kleine Welt funktioniert hat. Diese Chance, das auch so zu zeigen, haben wir nur gehabt, weil wir viel Super-8-Material hatten, das eine ganz eigene Farb- und Bildästhetik besitzt. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir bei unserer Recherche auf so viele Filme stoßen. Die Leute haben uns förmlich damit bombardiert. Der Schnitt des Films war dann eine wirkliche Schlacht. Es gibt so viele gute Szenen, ich hätte daraus eine ganze Serie schneiden können. Wir haben diesen Film aber nicht nur für ein Skaterpublikum gemacht. Es ist eher ein Pop-Film, der einem breiten Publikum Spaß machen soll und der den Fokus auf das Gefühl und nicht die technischen Details legt. In diesem Sinn ist es auch zweitrangig, dass „This Ain´t California““ eine Dokumentation ist.
Gab es für die Jugendlichen überhaupt die Möglichkeit, sich an Vorbildern zu orientieren?
Nein, nicht wirklich. Es wurde vieles selbst erfunden und gebastelt. Es gab ja keine Magazine oder Fernsehen, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Darum hat die Szene einen ganz eigenen Stil entwickelt, der sehr schnell war, mit einem hohen Risiko, sich beim Fahren zu verletzen. Sie sind zwar ohne viel technisches Know-how gefahren, dafür aber mit großem Spaß.
Wie habt ihr den Film finanziert?
Wir haben es am Anfang ganz klassisch über diverse Filmförderungen probiert. Das war sehr schwierig, da es unser erster Kinofilm ist. Das Thema ist auch relativ speziell, viele Stellen konnten damit nichts anfangen. Das Medienboard hat uns schließlich etwas unterstützt, aber richtig geholfen haben uns Arte, RBB und der MDR. Gerade die Franzosen haben frühzeitig an uns geglaubt, weil sie verstanden haben, mit welcher Bildsprache wir unsere Geschichte umsetzen wollen. Das war aber nur ein Teil des Geldes, das wir benötigten. Den Rest haben wir durch Crowdfunding und viel Eigeninitiative gestemmt. Gerade Crowdfunding ist sehr schwierig, da man viel Kontakt zur Szene haben muss, von der man das Geld haben will. Das ist während der Produktion etwas zu kurz gekommen, aber daran arbeiten wir wieder, wenn die Promotion-Tour für den Film startet. Wir sammeln also immer noch Geld zur Fertigstellung und für die Kinokopien. Wer uns helfen mag, kann Infos auf unserer Page www.thisaintcalifornia.de erhalten.
Interview: Martin Daßinnies