„Utopien und Realitäten – Die rote Traumfabrik“ beim DOK Leipzig
Rote Träume und epochale Dokumente
Die thematische Ausrichtung ist generell beachtenswert: Schließlich widmet sich mit Meschrabpom-Film ein deutsch-russisches, privatwirtschaftliches Unternehmen sozialistischen Themen, den Befindlichkeiten und Nöten des Arbeiters, um mit diesen im streng kapitalistischem Interesse Geld zu verdienen. Trotz der angedeuteten Bigotterie sei bemerkt, dass es schlechtere Ideen gibt, als engagierte Themen in erfolgreichen Filmen umzusetzen, wie es die beiden Meschrabpom-Köpfe, der deutsche Medienzampano Willi Münzenberg und der russische Produzent Moissej Alejnikow, taten.
Gerade wenn sich diese Schizophrenie in Filmen so schön nachlesen lässt wie in „Segodnja“ (1930), der zeigt wie Aufgaben von Mensch und Maschine in der Industrialisierung miteinander verschwimmen. Menschmaschinen funktionieren allein, aber noch viel besser im Kollektiv. Ihre Leistung wird im Sinn des Produkts optimiert. Sie ertüchtigen sich mit Leibesübungen neben riesigen Bohrtürmen, die die Schatten der maschinellen Industrie werfen. Noch verrichten sie ihren Dienst im brüderlichen Akkord, wie es schon die Sklaven auf römischen Galeeren taten. Doch schon bald werden sie abgelöst, wie die Eisenbahn und das Automobil den Dienst der Pferde ablösten. Dutzende dieser Bilder reiht der Film aneinander. Ein Film wie eine wahr gewordene Prophezeiung – von der noch nicht jeder gehört hat. Dokumente wie Visionen.
Denis Demmerle
DOK Leipzig (29. Oktober bis 4. November 2012) zeigt die Retrospektive „Utopien und Realitäten – Die rote Traumfabrik“ in Kooperation mit der Berlinale und der Deutschen Kinemathek. Programm unter www.dok-leipzig.de