Kurzfilmtag 2013: Interview-Spezial – Teil 4

Kurz und gut: Interviews zum Kurzfilmtag 2013 - Teil 4


Dave Lojek vom KinoKabaret steht dem Kurzfilmtag kritisch gegenüber, schaut aber trotzdem im Kino Sputnik vorbei.

Dave Lojek vom KinoKabaret steht dem Kurzfilmtag kritisch gegenüber, schaut aber trotzdem im Kino Sputnik vorbei.


Entscheiderpersonal verjüngen und Regeln minimieren

Wintersonnenwende, der kürzeste Tag des Jahres, der 21.12., bricht an, um so schnell wie kein anderer Tag im Jahr wieder zu enden – wenigstens was die Zahl der Stunden mit Sonnenlicht angeht. Wäre auch schade, wenn der Kurzfilmtag wirklich kürzer als die anderen 365 Tage im Jahr wäre. Im vierten Teil unseres Interview-Spezials findet Dave Lojek, einer der umtriebigsten Akteure der Berliner Kurzfilmszene, kritische Worte zur Terminierung des Events. Er erkennt eine Blütezeit des Kurzfilms, wünscht sich eine andere Filmförderung und erklärt, warum er trotzdem gerne Filmfeste besucht.

Herr Lojek, Sie sind Kurzfilmmacher und veranstalten zum Beispiel das KinoKabaret. Was hat der Kurzfilm dem Langfilm voraus?
Dave Lojek:
Der Kurzfilm entstand vor dem Langfilm. Er ist also vor allem das ältere Medium (siehe Georges Méliès). Außerdem ist ein Kurzfilm schneller und leichter gemacht. Er ist schneller konsumierbar, weil er kleinere Geschichten erzählt und so prima die aktuell schwindenden Aufmerksamkeitsspannen bedient.
Obwohl Kurzfilme prinzipiell die gleichen Genres kennen wie Spielfilme, ergibt sich aus der einfacheren Produktionsart eine größere Bandbreite an Formen, Stilen und Filmsprachen. Kurzfilme müssen keinen Profit machen – abgesehen von Werbung und Musikvideos, die dem Marketing dienen. Die Befreiung von Verkaufszwecken erzeugt unglaublich reichhaltige und sonderbare Resultate. Ich selbst sah davon Tausende. Man kann ihn schneller vergessen und erneut entdecken kann.
Früher lief oft ein Kurzfilm vor einem Kinolangfilm. Er war also auch dort zeitlich vorher. Was wurde wohl aus der Initiative „Kurz vor Film“? Die wollte diese Kultur, an den Marktmechanismen des Kommerz vorbei, wiederbeleben.

Wie könnte der Kurzfilm in Deutschland besser unterstützt werden?
Zunächst einmal blüht die Kurzfilmkultur schon sehr, was man an einigen Indikatoren sehen kann:
a) Allein Berlin freut sich über 70 jährliche gut besuchte Filmfestivals mitsamt Touristen und Weltruf. Viele davon zeigen Kurzfilme. Zehntausende Filme werden dazu eingereicht. Tausende werden in Kinos gezeigt. Deutschland hat dazu eine große Festivaldichte und auch bedeutende europäische KinoKabarets (praktische Workshops), wo ständig neue Filme gemacht werden und ihr Kinopublikum begeistern.
b) KinoBerlinos offene monatliche Filmabene im Kino Moviemento sind beliebt und ermöglichen es Regisseuren, ihre Kurzfilme ohne Zensur und Auswahl im Kino zu zeigen. Andere Open Screenings imitieren dieses Konzept in Bars.
c) Die Menge der täglich produzierten und konsumierten Kurzfilme steigt kontinuierlich an, weil die Technik und Kanäle dafür immer zugänglicher werden. Mit der Menge steigt auch statistisch die Qualität durch Diversifikation der Zielgruppen. Es wird nur etwas schwerer, die guten Filme zu finden, was die Festivalkuratoren als Herausforderung erkennen.
d) Die meisten Kurzfilme werden inzwischen ohne großes Budget hergestellt und online verbreitet, sehr zum Ärger der gestrigen Produzenten und Vertriebswege, denen das Publikum schwindet, weil sie sich hinter der FSK und den Filmförderern verstecken. Vor allem, weil sie alles in Geld messen.
e) Es gibt auch viele Kurzfilmvereine und Organisationen, die die freie Filmkultur und den Generationenaustausch fördern aus Leidenschaft, wie der Video- und Filmverband Berlin/Brandenburg.

Klingt gut, also einfach weiter so?
Wollte man also die Kurzfilmkultur besser unterstützen, müsste man zunächst mal schauen, wer welche Entscheidungen in welchen Machtkontexten trifft (EU, Festivals, Förderung, politische Ausrichtung, Kumpelwirtschaft). Beispielsweise kann ein herkömmlicher freier Filmemacher nur sehr schwer an die leckeren Geldpreise herankommen (30.000 € Kurzfilmpreis). Er wird blockiert durch Gremien, FSK, Bürokratie, Klüngel und die Vormacht der Filmschulen im Distributionsnetz für Festivals und Fernsehen.
Falls durch ein Wunder mehr Steuergeld in Filmförderung flösse, von der der deutsche Film ohnehin abhängig ist, sollte man schauen, wie man das Entscheiderpersonal radikal verjüngt und die Regeln minimiert. Hierarchien lassen sich gewöhnlich selten freiwillig umstülpen.
Filmemacher wollen drehen und unterhalten, berühren und begeistern. Sie wollen garantiert keine Formulare ausfüllen oder um Geld betteln bei Mächtigen oder „pitchen“. Aber genau das müssen sie derzeit tun, um sich zu erniedrigen und kleine Krümel vom großen Kuchen abzubekommen. Oder sie schlüpfen bei Fernsehsendern unter, um sich von Redakteuren die Inhalte diktieren zu lassen. Der Talentemarkt ist derart überlaufen, dass er als gesättigt zu klassifizieren ist.
Wie man jedoch an den vielen neuen Kurzfilmen täglich sieht, bewirkt der Mangel in der Überfülle oft auch Innovation und spornt die Kreativität an. Durch Erschwinglichkeit wird das Filmemachen eben demokratischer. Geschmack, Sendbarkeit und Qualität sind dann eine anderes Thema.

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