Berlinale 2014

„Anderswo“ von Ester Amrami

„Wir leben leicht, wir tun uns schwer“ (aus „Heimat“ von H. Grönemeyer) Cafune, erost, bol, Feierabend… Für ihre Masterarbeit, ein Wörterbuch für unübersetzbare Wörter, sammelt Noa Vokabeln, die Ausländern in ihrer neuen Heimat fehlen. Doch was ist eigentlich das Erkenntnisinteresse einer solchen Recherche? Dass Noa nun doch kein Stipendium für ihre Abschlussarbeit bewilligt bekommen soll, […]

„The Second Game“ von Corneliu Porumboiu

Spiel der Konjunktive Dezember 1988, ein wichtiges Fußballspiel, sowohl im sportlichen als auch im politischen Sinne. Steaua Bukarest und Dinamo Bukarest sind nicht nur die zwei besten Clubs im kommunistischen Rumänien, sie vertreten auch zwei herrschende Klassen in Nicolae Ceaușescus rot angestrichener Diktatur. Steaua ist das Team der Armee, Dinamo steht der Securitate, dem gefürchteten […]

„Der Samurai“ von Till Kleinert

Sexy Metzeln in der Provinz Es ist Nacht in einem verschlafenen brandenburgischen Kuhkaff nahe der polnischen Grenze. Der junge Polizist Jakob, der sich bei seinen halbstarken Altersgenossen wenig Respekt und Beliebtheit erfreut, kehrt kurz vor Feierabend noch einmal in die Dienststelle zurück. Dort wartet ein längliches Paket auf ihn. Absender unbekannt. Jakob nimmt die Sendung […]

„Am Sonntag bist du tot“ („Calvary“) von John Michael McDonagh

Kreuzigung auf Irisch Die katholische Kirche ist längst zum Running Gag verkommen. Finanzskandale, obskure Gruppierungen (Stichwort Piusbruderschaft) und vor allem zahlreiche vertuschte Fälle von Kindesmissbrauch haben die uralte moralische Instanz erschüttert. Selbstherrliche Bischöfe machen Schlagzeilen, Zeitungen steigern Auflagen und die Menschen erfreuen sich an der Empörung über Die-da-oben. Der Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche scheint im […]

„Risse im Beton“ von Umut Daǧ

Kämpfen gegen das Verrohen Zwischen Schämen und Fremdschämen besteht auch beim Filmeschauen ein großer Unterschied. Wer sich im Kino fremdschämt, nimmt dem Film seine Geschichte nicht ab. Peinliche Dialoge, unpassende Wendepunkte im Plot oder hölzerne Figuren sorgen dann für ein Gefühl, als hätte man nachts versehentlich in die Wiederholung der gefakten Realitysoaps von RTL reingezappt. […]

„Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf

Vom Gestern und Heute der Liebe Vor wenigen Jahren veröffentlichte die Soziologin Eva Illouz im Suhrkamp Verlag ein pinkes Buch mit dem etwas unglücklichen Titel ´Warum Liebe weh tut´. Auf knapp 450 Seiten beschreibt die Autorin hier jene Diskrepanz der Moderne, in der die Vorstellung der romantischen Liebe mit dem gleichzeitigen Ökonomisieren von Paarbeziehungen kollidiert. […]

„Die Schöne und das Biest“ von Christophe Gans

Die schöne Léa Seydoux „Es war einmal ein reicher Kaufmann, seine Lieblingstochter hieß Belle…“ Mit diesen Worten klappt Regisseur Christophe Gans („Pakt der Wölfe„) das Märchenbuch auf und führt hinein in seine Version des französischen Volksmärchen „Die Schöne und das Biest“. Schon vielfach verfilmt ─ legendär ist Cocteaus poetische Variante in Schwarzweiß von 1946, weltberühmt […]

„Snowpiercer“ von Bong Joon-ho

Immer nur nach vorn Das Mittelalter kannte noch die überschaubare Gesellschaftsordnung. In Europa sah diese wie folgt aus: Der erste Stand umfasste die Kleriker, die der Welt den Sinn auferlegten. Den Zweiten teilte der Adel unter sich auf. Der dritte Stand umfasste Bürger und Bauer, wenn möglich frei. Ein Aufstieg innerhalb der Ordnung war nur […]

„A Long Way Down“ von Pascal Chaumeil

Freundschaft an der Kante der Deadline Laut der Organisation samaritans.org nehmen sich jährlich etwa eine Million Menschen weltweit das Leben. Das entspricht ungefähr einem Freitod alle 40 Sekunden. Da die Gründe für Suizid so vielfältig sind wie das Leben selbst, ist die Dunkelziffer entsprechend hoch: Verkehrsunfälle, Wohnungsbrände oder Tablettenüberdosen können tragisch und zufällig sein, aber […]

„Zwischen Welten“ von Feo Aladag

Uns trennen Welten Mit Bahnübergängen verhält sich es auf der Welt überall gleich: Man sollte beim Überqueren aufpassen, nicht allzu zügig fahren – aber auch nicht zu schnell. Sie trennen die Orte, manchmal die Welten. Sie eignen sich also hervorragend als Metapher. Feo Aladag bezieht sich in „Zwischen Welten“ sehr eindrücklich auf Übergänge. Ihre Helden […]

„American Hustle“ von David O. Russell

Scorsese-Softcore und schlechte Frisuren Irving Rosenfeld hat ein sehr ausgeklügeltes System, um seine Halbglatze zu verdecken: Zuerst klebt er sich ein fusseliges Knäuel Kunsthaar auf die kahle Platte, dann wird der verbliebene, extrem in die Länge gezüchtete Haarkranz gegen den Strich darüber gekämmt. Das ganze dann noch mit Haarspray fixieren, Pornobrille aufsetzen und den Bauch […]

„Nymphomaniac Vol. I“ von Lars von Trier

Spektren des Extremen Es sieht immer anders aus und doch irgendwie gleich. Die Augen sind geschlossen, der Mund ist weit geöffnet. Ein Antlitz des Kontrollverlusts, ein Ausdruck, in dem sich Loslösung und Ekstase sonderbar mit dem Anschein von Schmerz und Verzweiflung vereinen. Der Orgasmus ist der kleine Tod, ein Zeitfenster von wenigen Sekunden, in dem […]