BODY von Malgorzata Szumowska


Körper, Geist und Seele

Dass seelisches Leid echte körperliche Schmerzen verursacht, ist bekannt. Form und Stärke der physischen Reaktion sind allerdings individuell zu unterscheiden. Seit Olga (Justyna Suwała) ihre Mutter verloren hat, verbietet sie sich jedes Recht auf Genuss. Egal was sie isst, es darf nicht im Körper bleiben. Müde sind ihre Lebensgeister und nach ihrem letzten Selbstmordversuch ist sie nun in stationärer Behandlung.

"Body" von Małgorzata Szumowska feierte seine Weltpremiere im  Wettbewerb der Berlinale 2015. Im Bild: Hauptdarstellerin Maja Ostaszewka. © Jacek Drygała
„Body“ von Małgorzata Szumowska feierte seine Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale 2015. Im Bild: Hauptdarstellerin Maja Ostaszewka. © Jacek Drygała

Ihr Vater Janusz (Janusz Gajos) trauert auf seine Weise. Einem lebenden Toten gleich, folgt er kraftlos seiner Alltagsroutine als Staatsanwalt, inspiziert fast teilnahmslos und ungerührt täglich mal mehr mal weniger übel zugerichtete Leichen. Alkohol betäubt seinen Kummer. Doch er steht auf beiden Beinen und funktioniert. Viele Worte macht er nicht, nur wenn er sich mit seiner Tochter streitet, brechen sich Frust und Trauer leise Bahn.


Die dritte im Bunde ist Olgas Therapeutin Anna (Maja Ostaszewska). Stets und ständig sorgt sie sich um andere. Für sich selbst bleibt da kaum Zeit. Nur ihr Hund, eine übergroße deutsche Dogge, bietet hin und wieder sowas wie eine Schulter. Auch Anna hat jemanden verloren. Ihr nahm Gevatter Tod vor einigen Jahren den kleinen Sohn. Wie Olga und ihr Vater kämpft auch sie mit ihrer Trauer und sucht nach Methoden und Wegen sich von ihr zu befreien. Wie geht es weiter nach dem Tod einer geliebten Person? Anna glaubt an die Begegnung mit dem Totenreich.


Gleich zu Beginn des Films, und als wollte Malgorzata Szumowska dem Zuschauer schon von vornherein bitten, das Drama hier nicht zu ernst zu nehmen, lässt die Regisseurin einen Toten wieder auferstehen. Noch während die Tatortkommissare einen Unglücksort examinieren, steht der eben noch Erhängte und vom Strick gelöste im Hintergrund auf und verlässt die Szene. Geschockt und ungläubig schauen die Ermittler dem Untoten hinterher. Was für ein Auftakt auf den dann doch eher leisen Film.

Malgorzata Szumowska gewann mit "Body" einen Silbernen Bären für die Beste Regie. © Jacek Poremba
Malgorzata Szumowska gewann mit „Body“ einen Silbernen Bären für die Beste Regie. © Jacek Poremba

Ursprünglich hatte Szumowska einen Film über das Problem Anorexie drehen wollen. Weil ihr das Thema aber zu schmalspurig vorkam, entwickelte sie es weiter und stellte die Fragen nach Bedeutung und Form von Körpern in den Mittelpunkt ihres neuen Drehbuchs. Allein die Bedeutung des Begriffes, die von Gestalt, über Objekt bis hin zur geometrischen Figur und ins Übersinnliche hineinreicht, reizte die Regisseurin, sich mit dem Thema umfassender auseinanderzusetzen. Mit ihrem Film „Body“ begibt sie sich also auf Spurensuche. Sie stellt drei Figuren, die sich dem Tod näher verbunden fühlen als der Welt der Lebenden, ins Zentrum einer lose zusammengehaltenen Geschichte. Olgas Vater ist als Staatsanwalt ständig Toten ausgesetzt, Olga spürt sich selbst nicht mehr und weiß mit ihrem Körper nicht mehr viel anzufangen, hat keine Kraft überhaupt wütend zu sein. In ihren Therapiestunden versucht sie dem leeren Körper wieder seine Stimme zurückzugeben. Anna versucht wiederum ihre Trauer durch Körperwanderung zu bewältigen und die Welt der Lebenden mit der der Toten zu vereinen und zu versöhnen.

Zugegeben, der Film kommt im Kern ein bisschen sehr verkopft daher. Die Körperstudien werden in eine Geschichte um Leid und Trauer, Leben und Tod gepresst und münden in einem Vater-Tochter-Konflikt, der im wahrsten Sinne des Wortes wie von Zauberhand aufgelöst wird. Überall gibt es im Film Hinweise und Anspielungen auf unterschiedlichste Geschichten. Szumowska wollte neben ihrer Körpererforschung mit ihren Figuren, die wie sie sagt aus den 90ern entsprungen sein könnten, gleichzeitig auch auf das gegenwärtige Polen zeigen, in dem neben Hippstern und Bioläden auch noch ein armes Polen existiert, mit Menschen, deren Gehalt weit unter dem Mindeslohn liegt, so sagt sie. Dieses Anliegen bleibt dem Zuschauer im Film völlig verborgen.

So fühlt es sich ein bisschen an den Haaren herbeigezogen an, im Film die Spuren der Menschen zu sehen, die sich, wie Szumowska meint, 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges, besonders auch durch das Fehlen der Kirche, die kaum noch etwas zu sagen hat, so verloren fühlen. Dem Zuschauer bleiben die atmopshärischen Bilder und seine hin und wieder absurd komischen Szenen im Kopf, die vom Umgang Trauernder mit ihrem Leid erzählen und deren Weg zurück ins Leben beschreiben.

SuT

Body„, Regie: Małgorzata Szumowska, DarstellerInnen: Janusz Gajos, Maja Ostaszewska, Justyna Suwała, Ewa Dałkowska, Adam Woronowicz, Tomasz Ziętek, Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, Ewa Kolasińska, Roman Gancarczyk, Władysław Kowalski

Bei der Berlinale 2015 gewann Malgorzata Szumowska für „Body“ den Silbernen Bären für die Beste Regie.
Hier alle Preisträger 65. Berlinale.