„Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod“ von Alex De La Iglesia
Der spanische Starregisseur Alex De La Iglesia will nichts weniger, als mit „Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod“ das spanische Dilema überwinden, das das Land seit Generationen bremst. Dafür entlässt er sein stark aufspielendes Ensemble in eine bizarre Welt: die eines Wanderzirkus und seiner Clowns. Die Exposition zur eigentlichen Handlung im Jahr 1973 erzählt De La Iglesia in kurzen, blutigen Minuten: Im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) begehren General Franco und seine Anhänger gegen die gewählte demokratische Regierung auf. Lachen eben noch Kinder über ihn, gerät ein Clown in den Krieg hinein, direkt an die Front. Noch im Kostüm zwangsrekrutieren ihn Regierungstruppen aus der laufenden Vorstellung heraus. Mit einer Machete bewaffnet richtet er ein Blutbad unter den Gegner an, ehe er sich derer Übermacht nicht erwehren kann und in Gefangenschaft gerät, die er nicht überleben wird.
Er hinterlässt seinen traumatisierten Sohn Javier (Carlos Areces), der ihm viele Jahre später nacheifern will. Der traurigste Clown, den die Welt wohl je gesehen hat, findet Anstellung in einem lausigen Zirkus, dessen einziger Star der lustige Clown Sergio (Antonio De La Torre) ist, als dessen trauriger, dämlicher Sidekick er fungieren soll. Lustig ist Sergio, der die Herzen der Kinder im Sturm erobert, nur in den Momenten auf der Bühne. Sonst terrorisiert der Sadist seine Umwelt, über die er wie ein König verfügt. Javier kann nicht verstehen, warum ausgerechnet die hübsche Akrobatin Natalia (Carolina Bang) magisch zu dem brutalen Sergio hingezogen fühlt, in die sich Javier Hals über Kopf verliebt, was Sergio nicht entgeht. Tatsächlich macht Natalia Javier Hoffnung. Hin und her gerissen zwischen den grundverschiedenen Clowns, wankt Natalia zwischen dem gemeinen Sergio und dem einfühlsamen Bewunderer Javier – und das Duell der beiden um die Schöne lässt das Trio ungebremst auf sein Unglück zu steuern.
Natürlich stehen die beiden De La Iglesias-Clowns sinnbildlich für ein zerrissenes Spanien, das die dunklen Momente der eigenen Geschichte, die sie vom Bürgerkrieg zu Franco brachte, nie aufarbeitete. Damit das ein jeder versteht, montiert der Spanier zahlreiche Original-Dokumente in sein Drama, darunter Berichte über das ETA-Attentat auf Franco-Nachfolger Blanco, das in Spanien so bekannt ist, wie die Bilder vom Mauerfall in Deutschland. In radikalen, blutigen Bildern lässt er die für die gesellschaftliche Spaltung stehenden Widersacher aufeinander los und um die Schöne (Spanien) kämpfen. Doch die widersprüchliche Seele der Spanier, lässt für De La Iglesia nur ein Ende zu.
Zwischen Trash, Splatter, Drama und Groteske angesiedelt, überzeugte De La Iglesia mit seinem wilden Ritt die Jury vom Filmfest in Venedig, deren Präsident niemand geringer als US-Regie-Ikone Quentin Tarantino war. Der zeigte sich entzückt vom Werk, das Preise für die beste Regie und das beste Drehbuch einheimste. Eine besondere visuelle Kraft ist dem Werk nicht abzusprechen, die gepaart mit seiner konsequenten Radikalität nicht nur Tarantino überzeugen sollte. Doch „Mad Circus“ bietet viel Fläche für Kritik. Er scheint doch sehr auf Kultpotential getrimmt und an vielen Stellen zu gewollt bizarr. Bösartig ließe sich im Marketingsprech von einer hohen Zielgruppenorientierung sprechen. Kaum eine Szene im Film schreit nicht danach zitiert zu werden – und doch verstellt sich „Mad Circus“ an vielen Stellen den Weg hin zu präziser formulierter politischer Kritik.
Denis Demmerle
„Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod„, Regie: Alex De La Iglesia, 104 min., Frankreich, Spanien; mit: Carlos Areces, Antonio De La Torre, Carolina Band, Santiago Segura, Kinostart: 8. Dezember