“Der Kurzfilm in Berlin sollte durch qualitativ Hochprozentiges gestärkt werden.”


Matthias Groll - Interfilm

Matthias Groll - Interfilm

Die interfilm Veranstaltungsreihe Shorts Attack, die wir seit letzten Monat als Medienpartner unterstützen, feiert am 28. Juli im Kino Babylon:Mitte seine 100ste Ausgabe. Einen kleinen Vorgeschmack auf „Hot Shots“, das sommerliche Thema des Abends, findet ihr im interfilm-blog! Wir unterhielten uns mit Macher Matthias Groll über sein „Baby“ und durften dabei Spannendes über die Shorts Attack, die Rolle der Veranstaltung für interfilm und gute Kurzfilme erfahren…

Matthias, wie bist du zum (Kurz-)Film gekommen?
Matthias Groll:
Über die Videokunst kam ich zum Kurzfilm. In den 90ern nahm ich im Fernsehen spannende Kurzkunst auf. Habe heute eine prächtige Sammlung. Zum eher narrativen Kurzfilm und zu interfilm kam ich vor circa zwölf Jahren. Traf den Festivalleiter in einem kleinen Kreuzberger Büro mit Kohleheizung. Zu dritt waren wir damals, um das Festival und den Verleih voranzubringen.

Und wie begann Shorts Attack?
Matthias:
Es war anfangs schwer, neben dem Festival in Berlin überhaupt Veranstaltungen durchgesetzt zu bekommen. interfilm war im Ausland bekannter. Dann bekamen wir dank der Medienboard den Zuschlag für Shorts Attack. Von Anfang an lief das sehr sehr gut. Der Kurzfilm in Berlin sollte durch qualitativ Hochprozentiges gestärkt werden. Ich denke, das ist uns gelungen. Wir haben dann auch im Acud und im Reingold monatlich Programme gezeigt.

100 mal Shorts Attack! Wie viele Filme hast du in etwa gesichtet, um 100 Folgen zu programmieren?
Matthias:
Alleine mache ich das nicht. Shorts Attack wird monatlich im Team organisiert. Schon Motto- und Titelfindung ist nicht leicht. Wir schließen uns oft in die Küche ein und brainstormen, bis wir gaga sind. Dann suchen wir in unseren Gehirnen und in der Datenbank passende Filme und laufen die Videoregalwände ab. Es sind durchaus längerdauernde Prozesse, bis ein Programm steht. Pro Ausgabe werden schon mal 50 Filme noch mal geschaut, denn die Erinnerung kann trügerisch sein. Die meisten waren auf dem Festival gelaufen oder wurden sonstwo entdeckt.

Erzähl doch von einem persönlichen Highlight aus all den Jahren…
Matthias:
Es ist immer aufs Neue spannend, wie die Programme ankommen. ´Snack Attack´und ´Nach Hausfrauenart´waren Programme, die überwältigend gut ankamen. Im Moment sind wir von der Chronik der 100 Sendungen beeindruckt: Auf der interfilm-Website sind alle anschaulich gelistet.

Fast noch wichtiger: Gab es eine Veranstaltung, die völlig in die Hose ging?
Matthias:
Es gab schon viele Katastrophen. Wenn bei Hitze keiner kam. Wenn Filmkopien, die wir für Transport und Miete oft teuer bezahlen, erst nach der Veranstaltung eintreffen, wenn geladene Filmemacher nicht im Flieger sitzen oder Filme mal rückwärts laufen und der Filmemacher auch noch dabei ist. Doch Katastrophen gehören auch zur Festivalstimmung. Veranstaltungen waren sicher auch schon mal fehlkonzipiert. Doch das habe ich verdrängt. Die meisten waren echt gut und mit hohem Niveau.

Was bedeutet die monatliche Reihe für interfilm als veranstaltendes Festival?
Matthias:
Man ist ganzjährig im Gespräch und hat immer zu tun. Als hätten wir nichts zu tun!

Was macht einen guten Kurzfilm aus?
Matthias:
Je kürzer desto besser. Gut gemacht darf er sein, doch die Originalität der Story ist oft wesentlicher als ein perfektes Produktionsniveau. Es ist schon erstaunlich, was für Zeugs eingereicht wird. Vieles würde nicht mal YouTube überstehen.

Welche Rolle spielen Internet und Web 2.0 für den Kurzfilm?
Matthias:
Immer mehr Filme finden wir im Netz. Sie werden dort oft aus gutem Grund weitergereicht. Aber oft hat man Probleme, jemanden zu erreichen, denn der Einsteller ist nicht immer gleich der Filmemacher und Kontaktangaben gibt es nur selten. Das Internet hat eher die kürzeren Filme und setzt etwas einseitig auf Witz. Die guten Produktionen aber, die ein wenig Zeit brauchen und eine große Leinwand verdienen, bedürfen einer ernsteren Wahrnehmung. Doch auch die ist im Netz zusehends möglich. Die werden in der Regel auch bei Festivals eingereicht, wohingegen die typischen Webhäppchen online erfolgreich sind, doch nicht zu Festivals geschickt werden. Da verschiebt sich derzeit einiges und Festivals müssen sich ganz neu aufstellen, wenn sie an die Filme des spannenden Zeitgeists kommen wollen.

Sylke Gottlebe (Geschäftsführerin AG Kurzfilm) sagt: „Kurzfilme sind nicht wegen mangelndem Publikumsinteresse, sondern aufgrund wirtschaftlicher Zwänge und geringer Spielräume bei der Disposition aus den Kinosälen verschwunden.” (Mehr dazu hier…) Wie siehst du das?
Matthias:
Klar, Werbung killed the Short Film Star, Kinos müssen Geld verdienen. Wir haben uns in den letzten Jahren auch verstärkt auf 90 minütige thematische Kurzfilmprogramme konzentriert. Nichtsdestotrotz werden Kurzfilme von kommunalen Kinos durchaus als Vorfilme gebucht. Der Kurzfilm bietet ja an sich ein wesentliches Element des Kinos, nämlich die Überraschung. Und genau das ist ja in den letzen Jahrzehnten verloren gegangen und kaputt getrailert worden. Neuerdings gibt es eine Kinoförderung für Vorfilme und soeben geht die Kampagne ´Kurz vor Film´ an den Start, an der wir konzeptionell auch beteiligt sind. Man muss die Kinos wieder auf den Kurzfilmgeschmack bringen und das finanziell belohnen.

Unter welchen Bedingungen könnte der Kurzfilm wieder präsenter in den großen Kinos sein?
Matthias:
Ich denke, Shorts Attack hat dem Kurzfilm in Berlin gut getan. Doch gibt es längst zahlreiche unterschiedliche Kurzfilmveranstaltungen. Vor Jahren haben sich die Leute an den Kopf gefasst, wenn man ´Kurzfilm´ sagte. Mittlerweile, und nicht nur durch das Internet, hat der Kurzfilm endlich den Status der verdienten Güte auch im öffentlichen Bewusstsein. Dabei sollen Kurzfilmer auch an ihren Filmen verdienen können. Die Kinos sind dafür zu gewinnen. Manchmal muss das Rad halt neu erfunden werden.

Hast du einen Lieblingskurzfilm?
Matthias:
„Kvinnokraft – Girl Power“ (im Netz hier zu bewundern) von Per Carleson aus Schweden, knapp 4 Minuten. „Girl Power“ ist kurz und pointiert, ist skurril und gut gemacht und hat eine wohltuende Leichtigkeit. Auf die Idee kommt es man. Auf so was Schräges muss man erst mal kommen. Ist ein interfilm-Klassiker, wir haben ihn auch mit Kinorechten im Verleih und bei Shorts Attack war er schon öfter dabei.

Die Fragen stellte Denis Demmerle