Ein Festival im Schock: filmPolska


Von 15. bis 21. April fand in zahlreichen unterschiedlichen Berliner Festival-Locations filmPolska statt. Das Filmfestival präsentiert in Berlin die gesamte Palette polnischer Filmkunst und versteht sich insbesondere als deutsches Schaufenster des Neuen Polnischen Kinos.

Doch in diesem Jahr veränderte ein Ereignis das Festival, noch ehe es überhaupt begonnen hatte: Am 10. April verunglückte ein Flugzeug in der Nähe der russischen Stadt Smolensk. Dabei kamen alle 96 Insassen ums Leben. Unter ihnen Lech Kaczyński, der Staatspräsident der Republik Polen und seine Gattin Maria Kaczyńska, sowie Vertreter der höchsten Staatsbehörden, des Generalstabs, der Gesellschaft und der Kirche. Woraufhin in Polen Staatstrauer verhängt wurde.

Ein wahrlich schlechter Moment um zu feiern, woraufhin filmPOLSKA am 13. April die feierliche Eröffnung des Festivals in den Hackesche Höfe Kinos, die für den 15. geplant war, absagte. Ebenso wie alle weiteren Festlichkeiten im Umfeld. Was natürlich Auswirkungen auf das Festival hatte, welches seine „Einmaligkeit“ und seinen „besonderen Charme“ eben auch durch den „Mehrwert seiner Gäste“ bezieht, wie uns Kurator Kornell Miglus noch im Vorfeld erzählte.

Ein Bekenntnis „pro Kultur“

Angesprochen auf den schwierigen Zwiespalt, in welchen das Filmfestival durch das tragische Ereignis gekommen war, erklärte Miglus, dass sich filmPolska „natürlich nicht ganz vom Tagesgeschehen loslösen“ konnte und „einige Gäste sogar ihre Anreise nach Berlin abgesagt haben.“ Gleichzeitig sprach Miglus aber von einer „vernunftorientierten Politik vor Ort„, der es zu verdanken sei, dass „das Festival stattfand.“ Für Miglus „ein klares Bekenntnis pro Kultur„!

Weiter fand der Kurator bemerkenswerte Worte, die eben dieses Bekenntnis stützen:
Es wäre doch schrecklich, den Menschen in ihrem Schmerz und ihrer Verunsicherung diese Möglichkeit zu nehmen. Das Kino ist letztendlich nicht nur ein Ort, wo man Kulturgüter konsumiert, sondern zugleich ein Ort der Begegnung. Bei so traumatischen Ereignissen ist es wichtig, dass der Mensch nicht alleine ist und sich selbst überlassen bleibt.

Als wäre das tragische Flugzeugunglück nicht schon schlimm genug, blockierte in der Folge auch noch die isländische Aschewolke den Luftraum, woraufhin einige der zahlreich geladenen Gäste absagen mussten, aber wiederum andere auf Züge und PKWs auswichen, was „diverse organisatorische Probleme“ für filmPolska bedeutete, wie Miglus berichtet, der immerhin froh sein konnte, dass „alle Filmkopien bereits in Berlin waren.“

Das Neue Polnische Kino

Mit dem Neuen Polnischen Kino als Programmschwerpunkt wollte das Festival die cineastische Aufbruchstimmung im Land widerspiegeln, die langsam in die Fußstapfen von Granden wie Krzystof Kieslowski oder Andrzej Wajda hineinwachsen. Der Weg dahin ist sicherlich noch unterschiedlich lang.

Die gezeigten Filme stehen für den Mut dieser Generation modernes Arthouse-Kino zu drehen, doch war die Umsetzung mal besser und mal schlechter gelungen. Exemplarisch zu sehen an zwei Beispielen:

Während Mariusz Grzegorzek mit seinem Familen-Drama „Ich bin dein“ kläglich scheitert, überzeugt Marcin Wrona mit dem schonungslosen Beitrag „Mein Fleisch und Blut„. Wo Grzegorzek es nicht gelingt die Abgründe, die seine beiden Schwestern in sich tragen, zu offenbaren, leidet der Zuschauer bei Wrona mit dem todgeweihten Ex-Boxer Igor und seiner Yen Ha – auch wenn beide Figuren ebenso wenig sympathisch angelegt sind, wie die überdrehten Nymphen-Schwestern Grzegorzeks. So bleibt nach „Ich bin dein“ nicht viel mehr als der Ausflug in eine fast außerirdische Welt fremdgesteuerter Wahnsinniger, während „Mein Fleisch und Blut“ trotz der offenbarten Abgründe der Protagonisten letztlich ein tiefgründiges Bekenntnis zur Menschlichkeit abgibt.

Filmpolska stand in diesem Jahr wahrlich unter keinem guten Stern. Es ist den Veranstaltern und nicht zuletzt dem polnischen Kino zu wünschen, dass im nächsten Jahr all die Mühen, die die Organisation eines solchen Filmfestivals erfordert, auch belohnt werden.

Denis Demmerle