Von Nadelöhren und Fürzen

Die Gewinner des 13. First Steps Awards


Auf der Bühne vereint: Gewinner, Laudatoren und Gäste des 13. Fist Steps Awards, Foto: Jirka Jansch

Auf der Bühne vereint: Gewinner, Laudatoren und Gäste des 13. Fist Steps Awards, Foto: Jirka Jansch

Manchmal gibt es diese magischen Abende, da öffnen sich die Pforten in das, was man Branche oder vieldeutig auch System nennen kann. Abende, an denen das Nadelöhr ein paar Millimeter größer wird und die semipermeable Membran für alle durchlässig, die es auf die Gästeliste geschafft haben. Darüber kann man sich freuen. Erstmal sind am Marlene-Dietrich-Platz, wenige Minuten vor Beginn der 13. First Steps Awards, aber alle gleich: „Hoch Achim“ ist Schuld und macht schöne Schweißflecken und verschmierte Gesichter. Summer in the city, doch die Pomade sitzt. Für jene, die durch den Hintereingang das Theater am Potsdamer Platz geentert haben, stehen zur Erfrischung Red-Bull-Dosen in drei Millionen verschiedenen Ausführungen bereit. Mit solch einem Getränk in der Hand lässt sich das Treiben auf dem roten Teppich hervorragend beobachten, aus luftiger Höhe hinter Glasfassaden auf Stockwerk Nummer vier. Dann gongt es. Begleitet von Seeeds „Dickes B“ in Big-Band-Version schlurft Joko Winterscheidt auf die Bühne, in der Hand ein Jojo, die Taschenuhr für den Dandy made by Yps.  Die ersten Witze zünden nicht. Und Joko entschuldigt sich. Ein Trauerspiel, dass sich durch die nächsten Stunden ziehen wird. Aber man solle ihm verzeihen, denn Ahnung hätte er nicht und sowieso stünde im Vertrag ja geiler Typ und nicht seriöser Gastgeber. Man kann ihm eigentlich keinen Vorwurf machen, bleibt sich halt treu, der Mann. Zeit, um über den nächsten Gag zu sinnieren gibt es auch.

Zum Beispiel, wenn die Preise verliehen werden oder Katja Eichinger Fotos aus dem Privatfundus des verstorbenen Ehemanns zeigt und mit kleinen Anekdoten in den Saal menschelt. Was dabei herauskommt, ist natürlich phänomenal. Höhepunkt: Joko hockt auf der Bühne wie ein Skispringer kurz vor Abflug, während ein Beat-Box-Kollege aus der Band ein Furzgeräusch imitiert. Applaus und Anlass für Red Bull Heidelbeer. Dennoch ist die Komponente Winterscheidt strategisch nicht dumm gewählt: Ähnlich Achim, der durch Körperschweiß eine Brücke zwischen Filmhochschulabsolventen und Big Business zu schlagen vermochte und somit ein Gefühl von Gemeinschaft, funktioniert Joko als hybrides Wesen im Status Dauerpubertät. „I’m not a boy, not yet a man“. Größer könnte der Kontrast zu den nominierten Filmen kaum sein, die sich thematisch zwischen Altenpflege, Tod der Eltern, Rechtsextremismus und Identitätsfindung zwischen Ländergrenzen ansiedeln. Gleich der erste Gewinnerin, Julia Ocker mit ihrem Animationsfilm „Kellerkind“ in der Kategorie „Kurz- und Animationsfilm“, zeigt eine sich selbst entbindende Frau in einem Erdloch. Beat this, Joko Winterscheidt! Der Preis „Spielfilm bis 60 Minuten“ geht nach Köln an Isabel Prahl, die Schönling Thomas Fränzel als gebeutelten Jungreferendar in „Ausreichend“ inszeniert. Im Wettbewerb um den besten „Dokumentarfilm“ gewinnt Victor Orozco Ramirez‘ Beitrag „Reality 2.0„, der sich gegen ein Holger-Hiller-Portrait („Oben im Eck-Holger Hiller„, Janine Jembere), eine Migrationskarriere („Ferien im Niemandsland„, Alexander Schimpke) und eine intime Aufarbeitung zum Verlust eines Elternteils („Sterben nicht vorgesehen„, Matthias Stoll) als einziger Animationsfilm durchsetzen konnte. Thema: Mexiko, ein Mord vor laufender Kamera und die anschließende Dynamik im Cyberspace.

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