Première Brasil 2012 im Haus der Kulturen der Welt

Perspektive brasilianisches Kino


 "Sudoeste": Clarice stirbt im Kindbett, nur ihre Tochter wird gerettet. Sie scheint ihr ganzes Leben in ihr zu durchschreiten – im Verlauf eines einzigen Tages.

"Sudoeste": Clarice stirbt im Kindbett, nur ihre Tochter wird gerettet. Sie scheint ihr ganzes Leben in ihr zu durchschreiten – im Verlauf eines einzigen Tages.

Ähnlich wie die Perspektive Deutsches Kino der Berlinale widmet das internationale Festival do Rio dem einheimischen Film eine eigene Sektion, die das nationale Filmschaffen des Jahres abbildet. Première Brasil nennt sich diese. Dort sind die besten, der rund 100 Filme, die jährlich in Brasilien entstehen, vereint.

Als Premiere Brasil gastiert das Festival mit einer Auswahl vom 7. bis 18. November nun bereits zum vierten Mal im Haus der Kulturen der Welt. Gemeinsam mit dem HKW hat Première Brasil-Leiterin Ilda Santiago einen Querschnitt der interessantesten und erfolgreichsten brasilianischen Filme für das Berliner Publikum zusammengestellt. Ergebnis sind dreizehn Produktionen, die thematisch den Fokus auf zwei Schwerpunkte richten: Zum einen dem Landesinneren Brasiliens und zum anderen, mit Blick auf die Frankfurter Buchmesse, die Brasilien 2013 als Ehrengast begrüßt, auf Literaturverfilmungen.

Passend dazu eröffnet das Fest mit dem Film „Captains Of The Sands“ („Capitães de Areia“) von Regisseurin Cecília Amado, die den Roman ihres eigenen Großvaters, Brasiliens bekanntester Schriftsteller Jorge Amado, verfilmte und so „das Vermächtnis des Großvaters erhalten möchte“ wie sie dem Hollywood Reporter erzählte. Das Drama schildert den täglichen Überlebenskampf einer Gang von Straßenkindern im Salvador da Bahia der 1930er Jahre, die von den Behörden verfolgt werden, während sie von einem besseren Leben träumen. Regisseurin Amado wird anwesend sein und nach dem Film im Gespräch Fragen zum Film beantworten.

Das brasilianische Kino spielt eine immer gewichtigere Rolle im internationalen Kino und auf Filmfesten. Zum echten Festivalliebling hat sich „Sudoeste“ von Eduardo Nunes entwickelt, der auch das Buch zum Film zusammen mit Guilheme Sarmiento schrieb. Dieses bildgewaltige, sperrige Werk in Schwarz-weiß brachte nach seiner Premiere in Rio Zuschauer u.a. in Rotterdam und München zum Grübeln. „Ein Film, der mit Visionen arbeitet, mit Symbolismen, der vielleicht einen Neoxistenzialismus verkünden will, der die Konstruktion unserer Realität nicht als simpel gegeben hält, unsere Realität ist vor allem Bewusstsein und das konstituiert sich aus Bildern der verschiedensten Phasen einer Geschichte.“ befindet Filmjournalisten.de nach dem Screening in München.

Sudoeste„-Regisseur Eduardo Nunes wird am 10. November in Berlin sein. An dem Tag gibt es ein Panel, das sich mit der Verbindung von Literatur und Film befasst. Über Brasilianische Literatur und die Konstruktion einer visuellen Dramaturgie spricht Festivalleiterin Ilda Santiago mit den Regisseuren Vinícius Coimbra („A Hora e a vez de Augusto Matraga„), Helvécio Marins Jr. („Girimunho„) und Eduardo Nunes („Sudoeste„), dem geschäftsführenden Leiter der Cinemateca Brasileira Carlos Magalhães sowie dem Filmwissenschaftler Peter W. Schulze.

Im Februar war im Berlinale Panorama Kiko Goifmans „Look At Me Again“ („Olhe pra mim de novo„) dokumentarisches Roadmovie zu sehen, das Silvyo begleitet, der als Frau geboren wurde, anschließend zur Lesbe wurde und jetzt ein Mann ist, wie er im Film über sich selbst sagt. Genug Stoff für einen hinreißenden Dokumentarfilm über ein bewegendes Schicksal – und doch geht der Film darüber hinaus, wie Nikolaus Perneczky in seinem Berlinaleblog des Perlentauchers findet: „Unterwegs begegnet er zuerst Menschen mit ähnlichen Geschichten: Schwulen, Lesben, Transgendern. Zum Glück ist Goifman, der sich mit verqueren Hybridfilmen zwischen Fiktion und Dokument, zuletzt: „FilmeFobia“ von 2008, einen kleinen Namen gemacht hat, mit diesen Kategorien nicht zufrieden, und bringt Silvyo mit einer Reihe von Personen außerhalb des SchwuLesBiTrans-Spektrums zusammen.“

Vielmehr als nur Rahmenprogramm und ein toller Service obendrein: Zum zweiten Mal ist täglich ab 10 Uhr im HKW-Foyer die Kurzfilmlounge mit einem Best-Of der Kurzfilme aus den Jahren 2010 und 2011 dabei. Gezeigt werden poetisch-skurrile Animationen und Filme über bedrohte brasilianische Landschaften – alles bei freiem Eintritt.

DD

Première Brasil 7. bis 18. November, Haus der Kulturen der Welt, Programm unter www.hkw.de