Interview mit interfilm-Geschäftsführer Alexander Stein

Kurzfilm ist schwerer beherrschbar und risikofreudiger


Alexander Stein (vorne) ist Geschäftsführer von Berlins zweitgrößtem Filmfest: Dem Kurzfilmfestival interfilm.

Alexander Stein (vorne) ist Geschäftsführer von Berlins zweitgrößtem Filmfest: Dem Kurzfilmfestival interfilm.

interfilm ist die Nummer zwei der Berliner Filmfestivals, wenigstens wenn die Besucherzahl als Maßstab gilt. Das Kurzfilmfestival geht im November in seine 29. Runde. Ein guter Grund, um mit Geschäftsführer Alexander Stein einen Blick in die nahe Zukunft zu werfen. Im Interview erfahrt ihr erste Details zum 2013er Programm, wie sich das Filmfest mit neuen Formaten immer wieder selbst erfindet und über die Lage des Kurzfilms.

Herr Stein, wo liegen die interfilm Schwerpunkte des Jahres 2013?
Alexander Stein:
Außereuropäischer Schwerpunkt sind Neuseeland und Australien. Wir beleuchten die beiden Länder als Gegensatz, da die häufig in einen Topf geworfen werden. Das ist, wie das deutsche und das österreichische Kino im Ausland als eins wahrgenommen werden, als deutschsprachige Filme, dabei liegen vollkommen unterschiedliche Herangehensweise und Geschichte zugrunde.

Wo liegen denn die Unterschiede?
Neuseeländische Filme sind lakonischer, düsterer, haben einen wahnsinnigen Witz und gehen schärfer ran. Sie sind gesellschaftlich und sozial bewusster, als die australischen. Bei deren Kurzfilmen finden sich zwei Strömungen, zum einen die gesellschaftlichen Filme und zum anderen urbane Filme, die aus Metropolen kommen und Lifestyle betrachten. Viele Komödien mit einem super Timing. Den neuseeländischen Film beschreibt der Begriff der „Uneasyness“ gut, was durch die Naturkatastrophen der letzten Jahre noch einmal verständlicher wird. Dazu hast du das Wasser, das die Insel und seine dramatische Landschaft umgibt und auf die Psychologie der Leute auswirkt. Australien ist da oft westlicher, aber das Outback schwingt mit. Peter Weir hat das sehr gut gemacht, da spielt ein Film in der Großstadt und plötzlich regnet es Käfer. Da weißt du, dahinter ist noch was, die kommen irgendwo her.

Welche europäische Region nehmt ihr euch vor?
Europäischer Schwerpunkt ist Bulgarien. Das wird durchaus interessant. Wir spüren die politische Entwicklung dort, mit drei Regierungswechseln, ganz stark institutionell, weil uns Ansprechpartner wegbrechen. Bulgarien hat eine von Rumänien beeinflusste Filmtradition, die dann wegbrach. Seit drei, vier Jahren passiert dort wieder was und die Filmemacher bilden eine eigene Stimme aus. Das heben wir heraus. Das sind schräge Sachen dabei.

Unmengen an Filmeinreichungen.

Unmengen an Filmeinreichungen.

Welche Probleme hat der Kurzfilm?
Als kommerzielles Produkt ist er ein Nischenprodukt. Er ist für den Markt schwerer beherrschbar, ist risikofreudiger. Er wird nicht als Massenprodukt durchgeschliffen, wie das beim Mainstream oft ist. Wobei sich das beim Langfilm in den letzten Jahren gebessert hat, seit er Attribute des Kurzfilms übernommen hat.

Ist es nicht eher so, dass der Langfilm stärker polarisiert, mit den Produkten, den Franchises, auf der einen und Indiefilmen auf der anderen Seite?
Das eine ist ein reines Produktvehikel. Bitter. Das ist die Masse. Kurzfilm hat andere Produktionszeiten, so kann ein gut produzierter Kurzfilm von der Entwicklung bis zur Produktion in drei bis sechs Monaten realisiert werden. Beim Langfilm dauert das zwei bis drei Jahre. Beim Kurzfilm ist ein Problem, dass eine ungeheure Masse produziert wird, die kaum zu filtern ist. Was die Aufgabe der Festivals ist. Unsere Krux und unser Segen. Keiner sonst kann sich die 5000, fast 6000 Kurzfilmeinreichungen, die wir haben plus die 1500 KUKI Einreichungen ansehen. Das ist unser Job. Dazu grenzt die Tatsache, dass Synchronisationen für Kurzfilme meist zu teuer sind, die Zielgruppe ein, da diese also mit Untertiteln gezeigt werden. Nur ein urbanes Publikum lässt sich auf Untertitel ein. Wir reisen ja mit unseren Programmen und müssen die auch anpassen, weil die in vielen Städten zu fremdsprachlich sind. Die kommen mit Untertiteln nicht klar. Berlin hat laut einer Umfrage ein zu 50 Prozent nicht deutschsprachiges Publikum. Englisch ist da Arbeitssprache.

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