Zurückgespult #15: Deutscher Genrefilm

Form weg, Geschichte rein und Frauenfiguren an den Rand – fertig ist der deutsche Genrefilm?


Cosima M. Grohmann ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Als Regie- und Produktionsassistentin hat sie bei diversen Filmproduktionen mitgewirkt, am Ende sogar einen eigenen Dokumentarfilm gedreht. Als Kritikerin aus der Ferne fühlt sie sich dem Kino näher, sie schreibt u.a. für fluter, die Berliner Zeitung und die Deutsche Presse Agentur.

Cosima M. Grohmann ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Als Regie- und Produktionsassistentin hat sie bei diversen Filmproduktionen mitgewirkt, am Ende sogar einen eigenen Dokumentarfilm gedreht. Als Kritikerin aus der Ferne fühlt sie sich dem Kino näher, sie schreibt u.a. für fluter, die Berliner Zeitung und die Deutsche Presse Agentur.

Was bewegt und über welche Projekte spricht die Filmbranche? Wo wird gerade wieder einmal unter Protest ein traditionelles Programmkino geschlossen – oder sogar eröffnet? In ihrer Kolumne Zurückgespult blickt Autorin Cosima M. Grohmann einmal im Monat zurück und schaut auf das, was passiert ist vor und hinter den Leinwänden.

Mit ihrer Ansage, endlich wieder echtes Genrekino produzieren zu wollen, haben Heiner Lauterbach und Nikolai Müllerschön eine Debatte wiederbelebt – und treiben sie in eine Ecke, in der harte Jungs zeigen, wo’s langgeht

Als Filmproduzent und Regisseur Nikolai Müllerschön („Der rote Baron„) vor zwei Wochen bei dem Filmkritiker Knut Elstermann für seinen Film „Harms“ in der Radio eins-Sendung „Zwölf Uhr mittags“ saß, wiederholte er vor allem Eines immer wieder: „Wir erzählen eine Geschichte.“ Müllerschön konnte gar nicht genug beteuern, wie wichtig es ihm sowie Mitproduzent und Hauptdarsteller Heiner Lauterbach war, sich endlich mal wieder auf eine Story, einen Inhalt – kurz einen solide erzählten Gangsterfilm mit Vorbildern aus der Ära des New Hollywood wie etwa „French Connection“ zu konzentrieren.

Weiterlesen: „Es gibt keinen Filmproduzenten, der genug Geld hat“ – Unser Interview mit Heiner Lauterbach zu „Harms„.

Denn momentan, so beklagen die beiden Herren mittleren Alters, gäbe es im deutschen Kino „sehr viel Form, sehr viel Verpackung, sehr viel Style, sehr viel Look … und oft sehr wenig Inhalt.“ Eine steile These, so viel ist schon mal klar. Mit dieser These im Gepäck sind Müllerschön und Lauterbach nicht nur beim Kinoking Elstermann offensiv in die Vermarktung ihrer Gemeinschaftsproduktion gegangen. Die Wiederbelebung der Debatte: Kann Deutschland kein Genrefilm? Zog sich einige Tage durchs gesamtdeutsche Feuilleton. Die Vorlage des Duos im Vor-WM-Sommerloch dankbar nutzend, kamen Kritiker und Filmschaffende wieder einmal fast einstimmig zu dem Schluss: Ja verdammt, es stimmt, es fehlen gute Krimis, gute Science-Fiction-Filme, gute Politthriller im deutschen Kino!

Weiterlesen: Unsere „Harms„-Kritik „Deutsche Gangster-Action, die weh tut

Filme wie „Hell“ von Tim Fehlbaum, „Die kommenden Tage“ von Lars Kraume oder „Im Schatten“ von Thomas Arslan bilden da die Ausnahme, für anspruchsvolles Krimi-Erzählen im Fernsehen herhalten muss sowieso ein ums andere Mal der „Grandfather des deutschen Genrekinos“ Dominik Graf, wie ihn Oliver Kaever in seiner Kritik in der „Zeit“ nennt. Der einzige, der es schafft, einen Krimi so erzählen, dass er nicht auf SOKO Leipzig-Niveau herunterrutscht. Kluge und sogar mehrteilige Genrestoffe, wie etwa der schwedische Action-Thriller „Easy Money“ (Hollywood plant bereits ein Remake mit Zac Efron als JW, der in der schwedischen Fassung von Joel Kinnaman verkörpert wird) oder der französische Politthriller „Der Aufsteiger“ sind im deutschen Kino in der Tat rar gesät und das ist zu Recht beklagenswert. Kritiker Oliver Kaever sieht in diesem Mangel übrigens die fehlende Tradition des deutschen Genrefilms.

Aber zum Glück gibt es ja die beiden alten Filmhasen Müllerschön und Lauterbach die jetzt vollkommen kompromisslos und ohne Fördergelder aufräumen wollen in dieser von Form übersättigten und hochgepitchten deutschen Kino- und Fernsehlandschaft, in der sich sogar in jedem „Tatort“ wackelnde Kameras, farbgesättigte Breitbandbilder und unnütze Zooms auf erzählerische Sackgassen wie Kaffeetassen und andere unwichtige Details breitgemacht haben, wie die beiden einstimmig monieren. Ein zu respektierender Ansatz.

Hier einige Eindrücke von „Harms„…

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