2014 – die Berliner Filmfestivals Redaktion blickt zurück/ Teil 2

Laura Varriales Jahr in Filmen: Selbstfindung - oder eine Begegnung mit Hugh Grant


Alex (Natalia Tena) und Sergi (David Verdagen) kämpfen in "10.000km" von Carlos Marques um ihre Beziehung. Foto: BFI London

Alex (Natalia Tena) und Sergi (David Verdagen) kämpfen in „10.000km“ von Carlos Marques um ihre Beziehung. Foto: BFI London

Nach Animationsfilm-Expertin Marie Ketzscher blickt unsere Autorin Laura Varriale, die im Lauf des Jahres von Berlin nach London übersiedelte, für Berliner Filmfestivals auf ihr persönliches Kinojahr zurück. Im Jahresfazit unserer Social Media-Königin finden der Paddington Bear, Hugh Grant und der polnische Überflieger „Ida“ zusammen…

2014 war für mich in jeder Hinsicht ein Sprung ins Unbekannte. Im Nachhinein ist es fast wie ein Omen, dass mein Festivaljahr mit dem Unknown Pleasures Festival im Januar begann.

Laura Varriale berichtet von London aus für Berliner Filmfestivals und kümmert sich um die Social Media-Expertin um die Kanäle des Magazins.

Laura Varriale berichtet von London aus für Berliner Filmfestivals und kümmert sich als Social Media-Expertin um die Kanäle des Magazins.

Das Filmfest des amerikanischen Indiekinos, vom umtriebigen Hannes Brühwiler jährlich initiiert, blieb mir besonders wegen der großartig und verstörenden „Death Row„-Serie von Werner Herzog im Gedächtnis und der anstrengenden wie ebenso verstörenden Selbstfindungsdoku-Tortur „I hate myself : )„. Hannes will kein süßes Independent-Kino a la „Juno“ zeigen, erklärte er mir im Interview und das Versprechen wurde nicht gebrochen. Das Unknown Pleasures ist provokant, mutig und gehört für mich einfach zur Berliner Filmfestivalszene. Wer ungeschliffene Rohdiamanten sehen will, der muss sich im Januar ins Babylon begeben. Schade, dass ich das kommende nicht sehen werde. Doch dazu gleich.

Das Frühjahr und mit ihm die Berlinale verstrich für mich ohne große Überraschungen. Von der schrecklichen Cinema for Peace Gala, die sich Jahr für Jahr an die Berlinale heftet um ein paar Promis abzuknapsen, mal abgesehen.

Im Rückblick hat mich „Ida“ auf der filmPolska im April am meisten bewegt. Eigentlich hat mich der Film regelrecht umgehauen. Pawel Pawlikowskis Werk ist meiner Meinung nach der klügste Film des Jahres 2014. Er vereint unterschiedliche Lebenswelten, lässt Charaktere die eigene Identität verdrängen und suchen. Was aber am wichtigsten ist, er zeigt die Figuren auf der Suche nach sich selbst ohne Spannung des Plots einzubüßen. Beziehungsweise, es gibt sogar einen Plot. Etwas, woran es vielen Selbstfindungs-/Coming-of-Age Filmen mangelt (siehe „I hate myself : )“ oder „The Goob„). Ja klar, „Boyhood“ war auch ein toller Coming-Of-Age Streifen, aber Hand aufs Herz: gegen Ende ein bisschen langatmig.

In diesem Jahr zog es mich oft zu Filmen in denen Protagonisten alte Muster aufbrechen und neue Wege beschreiten. Grund dafür ist wahrscheinlich, dass ich dies selbst tat. Ende Mai verließ ich die Berliner Filmfestivalszene und ging nach Großbritannien.
Mein erstes Festival auf der Insel war das East London Film Festival, bei dem ich nicht nur mit Hugh Grant ein Wort wechselte (wir standen uns im Weg und sagten beide „Sorry“), sondern auch die satirische Dokumentation „One Rogue Reporter“ sah, die mich auf den Boden der journalistischen Tatsachen des Landes brachte.

Weiterlesen: Laura Varriales Festivalbericht „Frittier- und Ketchupgeruch gegen passive Aggressivität aus London.

Im Oktober besuchte ich dann das legendäre London Film Festival, das viel familiärer und entspannter ist als man denkt und dem selbsternannten Berlinale Alleinstellungsmerkmal „Wir sind ein Publikumsfestival“ gehörig den Wind aus den Segeln nimmt. Bei Francois Ozons „The New Girlfriend„-Premiere (da haben wir die Selbstfindung wieder), saß ich neben Kritikern, betrunkenen Touristen und cinephilen Rentnern. Mit „The New Girlfriend„, „Foxcatcher“ und dem spanischen Independent-Hit „10.000km“ (auch hier: Selbstverwirklichung) wurde das London Film Film Fest zu meinem Lieblingsfestival des Jahres.

Um meinem Filmjahr 2014 inhaltlich einen roten Faden zu geben und meinem Selbstverwirklichung-Motto treu zu bleiben, werde ich es mit „Paddington Bear“ abschließen. Ein bäriger Charakter, der vom exzentrischen London träumt und nach Großbritannien auswandert.

Laura Varriale

Hier ausführliche Kritiken zu einigen von Lauras Favoriten…
– „10.000km” von Carlos Marques
– „Foxcatcher“ von Bennett Miller
– „One Rogue Reporter“ von Richard Peppiatt und Tom Jenkinson
– „Ida“ von Pawel Pawlikowski, der Gewinner des europäischen Filmpreises 2014